Jürgen Flimm
Jürgen Flimm (* 17. Juli 1941 in Gießen) ist ein deutscher Regisseur, Schauspieler, Intendant und Hochschullehrer. Von 2010 bis 31. März 2018 war er Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden.
Leben
Jürgen Flimm wuchs in den Kölner Stadtteilen Mülheim und in Dellbrück, Siedlung Thielenbruch, als Sohn eines praktischen Arztes auf, der auch am Theater tätig war. So konnte Flimm mit seinem Vater kostenlos Vorstellungen besuchen.[1] Nach dem Abitur am Deutzer Gymnasium Schaurtestraße[2] studierte Jürgen Flimm Theaterwissenschaft, Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität zu Köln. An der Studiobühne Köln, einer Einrichtung der Universität, und der "Studiobühne am Germanistischen Seminar der Uni-Bonn" erwarb er seine ersten praktischen Erfahrungen.[3] Am 8. Februar 1963 hat er an der Bühne für sinnliche Wahrnehmung – KONZIL, einem im Rahmen des „Studium Universale“ der Universität Bonn gegründeten kulturellen Forum, teilgenommen und in der Uraufführung des Werks BEWEGUNGEN II 24' 1963 des Komponisten Johannes Fritsch mitgewirkt (Co-Regie, Pantomime).[4] Seine berufliche Theaterkarriere begann Jürgen Flimm 1968 als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen. Ab dem Jahr 1971 wurden seine eigenen Inszenierungen gespielt. 1972 wurde er Spielleiter am Nationaltheater Mannheim und 1973 Oberspielleiter am Thalia Theater Hamburg. Von 1979 bis 1985 war Flimm Intendant des Schauspielhauses der Stadt Köln und von 1985 bis 2000 Intendant des Thalia Theaters. Als Nachfolger von Gründungs-Intendant Gerard Mortier leitete er von 2005 bis 2007 die RuhrTriennale. Nach dem Tod der designierten Folge-Intendantin Marie Zimmermann übernahm er gemeinsam mit Jürgen Krings für das Jahr 2008 die Geschäftsführung der Ruhrtriennale und fungierte als künstlerischer Leiter.
Seine Operntätigkeit begann 1978 mit einer Inszenierung von Luigi Nonos Al gran sole carico d’amore in Frankfurt. Seitdem hat er an vielen Opernhäusern gearbeitet wie der Mailänder Scala, der Metropolitan Opera, dem Royal Opera House Covent Garden, der Berliner Staatsoper Unter den Linden, der Hamburgischen Staatsoper, dem Opernhaus Zürich, bei den Bayreuther Festspielen und bei den Salzburger Festspielen.
Von 2006 bis 2010 leitete Jürgen Flimm die Salzburger Festspiele. Seit 2009 ist er Berater der Berliner Staatsoper Unter den Linden, deren Intendanz er von 2010 bis 2018 übernommen hat.[5]
Als Fernsehregisseur war Flimm in zwei Folgen der Serie Ein Herz und eine Seele und beim Dokumentarfilm Wer zu spät kommt – Das Politbüro erlebt die deutsche Revolution (1990) tätig. Auch als Darsteller wirkte er in verschiedenen Produktionen mit, beispielsweise in zwei Tatort-Episoden.
Als Hochschullehrer war Jürgen Flimm an der Harvard University, der New York University und als Professor an der Universität Hamburg tätig.
Flimm ist evangelischen Glaubens. Der Zeitschrift Chrismon sagte er, der Glaube bedeute für ihn Toleranz, Geduld, Nachsicht; während „schlechte Predigten, inspirationslose Pastoren, Frömmelei und liturgisches Geleier“ ihn auf Distanz gehen ließen.[6]
Familie
1969 heiratete Flimm seine Schauspielkollegin Inge Jansen. Seit 1990 ist er mit der Filmproduzentin Susanne Ottersbach-Flimm verheiratet. Flimms zwei Jahre älterer Bruder Dieter war Architekt, Musiker und Bühnenbildner.
Ehrungen
- Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (23. Mai 1990)[7]
- 1990 wurde er für seine Verdienste mit dem Silbernen Blatt der Dramatiker Union ausgezeichnet.
- 1991 erhielt er (zusammen mit Martin Wiebel, Cordt Schnibben, Claudia Rohe, Hans-Christian Blech und Dirk Dautzenberg) den Adolf-Grimme-Preis mit Silber für „Wer zu spät kommt… Das Politbüro erlebt die deutsche Revolution“
- Großes Bundesverdienstkreuz (4. Oktober 2002)[7]
- Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen (2006)
- 2012 wurde er mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis für Literatur und Politik der Stadt Otterndorf geehrt.
- Träger der Medaille für Kunst und Wissenschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
- Ehrendoktor der Universität Hildesheim
- 2017 Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
Jürgen Flimm ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg, der Akademie der Künste (Berlin) der Bayerischen Akademie der Schönen Künste,[8] der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, war von 1999 bis 2013 Präsident des Deutschen Bühnenvereins und ist Mitglied des Kuratoriums der Rudolf Augstein-Stiftung.
Filmografie
Regisseur
- 1975: Polly oder Die Bataille am Bluewater Creek (mit Cornelia Froboess und Vera Tschechowa)
- 1975: Turandot oder Der Kongreß der Weißwäscher (nach Bertolt Brecht mit Maria Emo)
- 1976: Ein Herz und eine Seele (Folgen: „Schlußwort“ und „Telefon“)
- 1978: Uns reicht das nicht (mit Herbert Grönemeyer, Eberhard Feik und Uwe Ochsenknecht)
- 1980: Das Käthchen von Heilbronn (nach Heinrich von Kleist mit Günter Lamprecht und Katharina Thalbach)
- 1981: Polnischer Sommer (mit Rainer Werner Fassbinder und Vadim Glowna)
- 1985: Die Wupper (nach Else Lasker-Schüler)
- 1989: Das Mädl aus der Vorstadt (mit Otto Schenk und Julia Stemberger)
- 1990: Wer zu spät kommt – Das Politbüro erlebt die deutsche Revolution (Doku)
- 1993: L’incoronazione di Poppea (Salzburger Festspiele)
- 1991: Der Schwierige (nach Hugo von Hofmannsthal mit Karlheinz Hackl und Julia Stemberger)
- 1994: Die Wildente (nach Henrik Ibsen mit Will Quadflieg)
- 1996: Figaros Hochzeit,Opernhauses Zürich, Leitung: Nikolaus Harnoncourt, mit Rod Gilfry, László Polgár, Isabel Rey, Cecilia Bartoli; DVD TDK/Arthaus
- 1997: Zwischen Rosen (Film mit Maximilian Schell)
- 2000: Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner, Bayreuth
- 2001: Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart (mit Nikolaus Harnoncourt, Rod Gilfry, Cecilia Bartoli, Agnes Baltsa)
- 2004: Käthchens Traum (Film mit Tobias Moretti)
Drehbuchautor
- 1997: Zwischen Rosen
Darsteller
- 1968: Der Unfall
- 1969: Die Hupe – Eine Schülerzeitung (13 Folgen)
- 1971: Hugo was here (Kurzspielfilm)
- 1971: Tatort: Kressin und der tote Mann im Fleet (TV-Reihe)
- 1973: Mordkommission (Serie)
- 1974: Tatort: Eine todsichere Sache (TV-Reihe)
- 1978: Die schöne Marianne (TV-Reihe), siehe Marianne Ruaux#TV-Serie, Gedenkstein[9]
- Finkel will sterben
- Der Falschspieler
- 1981: Engel aus Eisen
- 1981: Looping
- 1988: Der Einbruch
- 1988: Der Passagier – Welcome to Germany
- 1994: Der gute Merbach
- 2013: Hai-Alarm am Müggelsee
Sonstiges
Die Zeichnungen zum Buch Die Mundorgel wurden von Jürgen Flimm beigesteuert.[10]
Literatur
- Ute Kröger: Jürgen Flimm. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 607 f.
- Selbst-Porträt der Kindheit und Jugend in: Florian Langenscheidt (Hg.): Bei uns zu Hause. Prominente erzählen von ihrer Kindheit. Düsseldorf 1995, ISBN 3-430-15945-8.
Weblinks
- Literatur von und über Jürgen Flimm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jürgen Flimm in der Internet Movie Database (englisch)
- Jürgen Flimm bei crew united
- Biografie bei Universität der Künste Berlin
- Biografie bei Universität Hildesheim
- Deutschlandfunk (DLF) Kulturfragen. Debatten und Dokumente vom 1. April 2018: Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm: Ich höre in einem intellektuell guten Zustand auf"
Einzelnachweise
- ↑ Interview in der SZ vom 6. Mai 2011.
- ↑ (auch für Wohnorte) Martin Oehlen: Interview mit JF zum 70. (online) vom 15. Juli 2011 (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ Interview mit Bühnenleiter Franke. In: Kölner Universitätszeitung. 2/2009 (PDF) (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Vgl. Gerd Hergen Lübben: Bühne für sinnliche Wahrnehmung – KONZIL. Bonn 1961/2012, Seiten 17, 18, 20; abgerufen am 10. Januar 2016.
- ↑ Staatsoper unter den Linden: Jürgen Flimm wird neuer Intendant. Auf Spiegel Online, abgerufen am 22. Dezember 2008.
- ↑ Jürgen Flimm: Evangelisch im Laienspielkreis. In: Chrismon spezial. 31. Oktober 2014.
- ↑ a b Auskunft Bundespräsidialamt
- ↑ badsk.de (Memento vom 18. Januar 2011 im Internet Archive)
- ↑ https://www.imdb.com/name/nm0282324/
- ↑ die mundorgel, mundorgel verlag GmbH, Köln-Waldbröl 2001, ISBN 3-87571-043-6.
Personendaten | |
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NAME | Flimm, Jürgen |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Regisseur, Schauspieler, Intendant und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 17. Juli 1941 |
GEBURTSORT | Gießen |