Ich will den Kreuzstab gerne tragen

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Bachkantate
Ich will den Kreuzstab gerne tragen
BWV: 56
Anlass: 19. Sonntag nach Trinitatis
Entstehungsjahr: 1726
Entstehungsort: Leipzig
Gattung: Solokantate
Solo: B
Instrumente: 2Ob Ot 2Vl Va Bc
AD: ca. 21 min
Text
Christoph Birkmann; Johann Franck
Liste der Bachkantaten
Erste Seite von Bachs Autograph (1726)

Ich will den Kreuzstab gerne tragen (BWV 56), auch Kreuzstabkantate genannt, ist eine geistliche Solokantate für Bass von Johann Sebastian Bach.

Entstehung

Die Kantate gehört zum dritten Leipziger Kantatenjahrgang. Bach schrieb sie ursprünglich für die Sopranstimme seiner zweiten Ehefrau Anna Magdalena anlässlich des 19. Sonntags nach Trinitatis, der im Entstehungsjahr 1726 auf den 27. Oktober fiel. Die Originalpartitur trägt Bachs handschriftlichen Vermerk Cantata à Voce Sola e Stromenti (Kantate für Solostimme und Instrumente). Es ist eines der wenigen Beispiele, bei denen Bach selbst den musikalischen Gattungsbegriff der Kantate im Autographen verwendet. In den Jahren 1731–1732 adaptierte er das Werk für Alt- beziehungsweise Bassstimme. In letzterer wird es heute üblicherweise aufgeführt.

Thematik und Aufbau

Der Librettist Christoph Birkmann

Der Text, der vom Bachschüler und Theologen Christoph Birkmann stammt, nimmt indirekt Bezug auf die für diesen Sonntag vorgesehene Evangeliumslesung von der Heilung des Gichtbrüchigen (Mt 9,1–8 EU), die körperliches Leid und Schmerzen thematisiert, welche das Leben begleiten und die der Gläubige erträgt in der Hoffnung auf Erlösung von den Gebrechen am Ende des Lebenswegs. Ausgehend vom ersten Vers der Lesung: „Da trat er (Jesus) in das Schiff und fuhr wieder herüber und kam in seine Stadt“ (Mt 9,1 EU) wird der Lebensweg im Text des ersten Rezitativs mit einer Schiffsreise verglichen, wobei das Cello die Wellenbewegung versinnbildlicht. Der mit dem Ende des Weges verbundenen Jenseitssehnsucht wird durch den abschließenden Choral Komm, o Tod, du Schlafes Bruder Ausdruck verliehen, der auf der sechsten Strophe des Kirchenliedes „Du, o schönes Weltgebäude“ von Johann Franck aus dem Jahre 1653 basiert und wiederum das Bildnis vom Leben als Schifffahrt aufnimmt.

Das Werk orientiert sich stark am Text und entwickelt die musikalischen Gedanken diesem entsprechend. Bach identifiziert einzelne Worte des Librettos mit gewissen Stilmitteln. So wird beispielsweise das Cis auf ‚Kreuzstab‘ (in Bachs Autograph als X stab ausgeschrieben) durch die Dissonanz einer übermäßige Sekunde erreicht, und das Wort ‚tragen‘ erklingt mit einem Seufzermotiv in der Stimme. Die Stelle Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab, die im abschließenden Rezitativ nochmals aufgenommen wird, fällt metrisch durch unvermittelte Triolen auf, reproduziert gleichzeitig die zuvor gehörten Seufzer in den Oboen. Gemeinsam mit der absteigenden Sext auf dem Wort ‚Grab‘ wurde dies intuitiv wie analytisch als Ausdruck von Todessehnsucht gedeutet.

Die Textstelle im folgenden Rezitativ ‚Mein Wandel auf der Welt ist einer Schiffahrt gleich‘ illustriert Bach im Cello mit einem Motiv, das einer Wellenbewegung des Wassers nachempfunden ist. Als gegen Ende des Rezitativs der Wanderer ‚aus dem Schiff in meine Statt‘ tritt, wird dieses Motiv beendet und wechselt harmonisch nach Dur. Die folgende tänzerische Bassarie feiert in B-Dur ‚Endlich wird mein Joch wieder von mir weichen müssen‘. Die Kantate schließt mit dem Choral ‚Komm o Tod, du Schlafes Bruder‘, der auf den ersten Blick einfach erscheint. Bach vertont jedoch die Melodie von Johann Crüger im vierstimmigen Chorsatz äußerst kunstvoll. Das erste Wort Komm setzt synkopisch auf dem zweiten Schlag ein. Der Psychologe und Gerontologe Andreas Kruse vergleicht diesen Choral mit dem Abschlusschoral Ach Herr, laß dein lieb Engelein aus Bachs Johannespassion und sieht in beiden Fällen „eine eindrucksvolle Gefasstheit, die bedingt ist durch die Gewissheit, dass der Tod zwar einen Abschluss markiert, zugleich aber auch den Ausgangspunkt des ewigen Lebens.“[1]

Besetzung

  • Bass solo, vierstimmiger Chor in der abschließenden Choralstrophe
  • Orchester: Oboe I/II, Taille (tiefe Oboe), Violine I/II, Viola, Basso continuo. Bis auf ein Oboensolo in einer Arie gehen die Oboen mit den Streichern colla parte.

Wirkungsgeschichte

Am Ende von Robert Schneiders Roman Schlafes Bruder improvisiert der Protagonist Johannes Elias Alder den Schlusschoral ‚Komm o Tod, du Schlafes Bruder‘ in ergreifender Weise auf der Orgel und fasst dabei den Entschluss, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.

Einspielungen (Auswahl)

Die Kantate gehört neben den beiden anderen Bass-Solo-Kantaten BWV 82 und BWV 158 zu den bekanntesten Kantaten und wird dementsprechend häufig eingespielt.

CD
DVD

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Kruse: Die Grenzgänge des Johann Sebastian Bach: Psychologische Einblicke Springer-Verlag, 2014. S. 239–240.Online-Teilansicht
  2. Produktinformationen (Memento vom 5. Mai 2015 im Internet Archive) auf der Website der J. S. Bach-Stiftung, abgerufen am 30. April 2015.