Liedermacher

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Typisches Beispiel für einen Liedermacher: Reinhard Mey (2014)

Als Liedermacher wird ein Sänger im deutschsprachigen Raum bezeichnet, der Musik und Texte seines Programms überwiegend selbst geschrieben oder originär bearbeitet hat. Er begleitet sich musikalisch selbst, tritt aber manchmal auch mit einer Begleitband auf.

Zum Begriff

Der Begriff Liedermacher tauchte vereinzelt bereits lange vor dem 20. Jahrhundert auf,[1][2], so bezeichnete sich zum Beispiel die Dichterin Anna Louisa Karsch (1722–1791) in einem Brief selbst als „liedermacherin“.[3] Die heutige Verwendung und Popularisierung des Begriffes entstand jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und geht auf Wolf Biermann zurück.[2][4] Er betont die sozialromantische Identifikation der Sänger mit dem arbeitenden Volk und setzte sich im Zuge der 68er-Bewegung durch. Bis dahin sprach man in der Bundesrepublik, etwa im Zusammenhang mit den Burg-Waldeck-Festivals, eher von „Sänger-Poeten“.[5]

Verhältnis zu Songwriting und Chansons

Der Singer-Songwriter (englisch) im Verständnis Bob Dylans ist vom Begriff des Liedermachers vor allem regional (nordamerikanischer Raum) und stilistisch abzugrenzen. Es gibt darüber hinaus neben dem deutschen Liedermacher den Chansonnier (französisch), den Cantautore (italienisch) bzw. Cantautor (spanisch) sowie den Bard (russisch). Die Inhalte haben in der Regel Bezug zur Erfahrungswelt des Liedermachers und sind persönlich oder auch politisch geprägt.

Stilrichtungen

Konstantin Wecker (2017)

Das Genre des Liedermachers enthält wegen der individuellen Ausdrucksform eine Vielzahl unterschiedlicher musikalischer und textlicher Stil-Ausprägungen:

Typisch für Liedermacher ist die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren dieser Kategorien. So komponieren und singen z. B. Reinhard Mey und Manfred Maurenbrecher sowohl gesellschaftskritische als auch humorvolle Lieder.

Liedermaching

Seit den 1990er Jahren entwickelte sich im deutschsprachigen Raum das so genannte „Liedermaching“, deren Vertreter sich textlich und musikalisch vom Liedermacher absetzen möchten. Als Mitbegründer gilt das Bonner Duo Joint Venture (1993–2000).[6] Ein weiterer Vertreter sind die Monsters of Liedermaching (seit 2003).

Rechtsextremistische Liedermacher

Waren ab den 1960er Jahren politische Liedermacher zunächst fast ausschließlich dem linken Spektrum zuzuordnen, so gibt es ungefähr seit den späten 1980er Jahren auch rechte bis rechtsextremistische Liedermacher. Nach Angaben von Blick nach Rechts listete das Bundesamt für Verfassungsschutz 2003 in einer internen Studie unter anderem die folgenden „rechtsextremistischen Liedermacher“ auf: Jörg Hähnel, Veit, Annett und Michael Müller und Frank Rennicke. Einige davon sind wegen Volksverhetzung vorbestraft und inhaftiert, manche ihrer Aufnahmen sind indiziert. Einige haben der Szene mittlerweile aber auch den Rücken gekehrt.[7][8]

Literatur

  • Robert von Zahn (Hrsg.): Folk & Liedermacher an Rhein und Ruhr. Agenda, Münster 2002, ISBN 978-3-89688-125-0.
  • Lutz Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR. Dietz, Berlin 1993, ISBN 3-320-01807-8.
  • Stephan Hammer: Mani Matter und die Liedermacher. Zum Begriff des ‚Liedermachers‘ und zu Matters Kunst des Autoren-Liedes. Peter Lang, Bern u. a. 2010, ISBN 978-3-0343-0307-1.
  • Marc Sygalski: Das „politische Lied“ in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1964 und 1989 am Beispiel von Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader und Reinhard Mey. (= eScripta. Göttinger Schriftenreihe für studentische Germanistik. Band 1, ISSN 2192-0559), eScripta, Göttingen 2011, DNB 1013004485. Magisterarbeit an der Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Deutsche Philologie, 2011, escripta.de (PDF; 1 MB; 177 Seiten).
  • Simone Burel: Politische Lieder der 68er, eine linguistische Analyse kommunikativer Texte, herausgegeben vom Institut für Deutsche Sprache (= Arbeiten und Materialien zur deutschen Sprache, Band 46), IDS, Mannheim 2013, ISBN 978-3-937241-42-5 (Zugleich Dissertation an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 2013).
  • Thomas Rothschild: Liedermacher: 23 Porträts. Fischer Taschenbuch, 1980, ISBN 9783596229598
  • Dietmar Elflein: In Germany After The War: Broadening the Discourse on the Liedermacher. In: Isabelle Marc (Hrsg.), Stuart Green (Hrsg.): The Singer-Songwriter in Europe: Paradigms, Politics and Place. Routledge, 2016, ISBN 9781317016069, S. 109–122
  • David Robb (Hrsg.): Protest Song in East and West Germany since the 1960s. Camden House, 2007, ISBN 9781571132819
  • Stephan Hammer: Mani Matter und die Liedermacher: zum Begriff des "Liedermachers" und zu Matters Kunst des Autoren-Liedes. Peter Lang, 2010, ISBN 9783034303071

Weblinks

Wiktionary: Liedermacher – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Liedermacher im deutschen Textarchiv
  2. a b Andreas Rosenfelder: Deutschlands Liedermacher – Wortmörder ahoi! In: FAZ, 17. Januar 2006
  3. Sie war’s. In: Die Zeit, Nr. 21/1981
  4. Matthias Konzett (Hrsg.): Encyclopedia of German Literature. Routledge, 2015, ISBN 9781135941222, S. 653
  5. Ulrich Morgenstern: Ritual — Epos — Tanz: Die deutsche Anti-AKW-Bewegung aus ethnomusikologischer Sicht. In: Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 54 (2009), S. 273–310, hier S. 279, Anm. 15.
  6. Stephan Hammer: Mani Matter und die Liedermacher: zum Begriff des "Liedermachers" und zu Matters Kunst des Autoren-Liedes. Peter Lang, 2010, ISBN 9783034303071, S. 53
  7. Blick nach Rechts 2003 (Memento vom 11. März 2007 im Internet Archive)
  8. Verfassungsschutzbericht 2005 des Bundesministeriums des Innern, (PDF) S. 64