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Der Sklavenhandel in der deutschen Geschichte und Fälle von Sklaverei in Deutschland sind, neben der Leibeigenschaft, dokumentiert.

Handel mit Sklaven vom 9. bis 19. Jahrhundert

Vom 9. bis 10. Jahrhundert war Regensburg ein zentraler Handelsplatz für den Sklavenhandel. Es wurden Sklaven aus Osteuropa, unter anderem Pommern, gehandelt. Die Raffelstettener Zollordnung, die zwischen 903 und 906 entstand, nannte den Zoll für männliche und weibliche Sklaven (eine Stute für einen Sklaven, einen Hengst für eine Sklavin, also das Vierfache). Als Marktplatz diente der 934 erstmalig urkundlich erwähnte heutige Kohlenmarkt. Einige Sklaven verblieben in der Region. Andere wurden im Rahmen des Fernhandels über Venedig in die arabischen Länder des Orients und über Verdun in die maurischen Höfe in Spanien weiterverkauft. Um 1100 ging der Sklavenhandel zu Ende, da der überwiegende Teil des slawischen Ostens christianisiert war und somit das kirchliche Verbot des Handels mit christlichen Unfreien griff.[1]

Blick in einen “slave dungeon” im Fort Groß Friedrichsburg.

Die Fugger waren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Geldgeber für den portugiesischen Sklavenhandel.

Die Welser schlossen im Februar 1528 mit dem spanischen Königshof einen Asiento de Negros genannten Vertrag, der ihnen gestattete, innerhalb von vier Jahren 4000 „Negersklaven“ in die spanischen Kolonien nach Lateinamerika zu liefern. In den folgenden Jahren bis 1536 unternahmen die Welser 46 Sklaventransporte im Rahmen des atlantischen Sklavenhandels; von etwa 1530 bis 1556 beteiligten sie sich an der Plantagenwirtschaft in Venezuela.[2] Sie erhielten das Gebiet Klein-Venedig als Lehen.

Im März 1528 erwarb Heinrich Ehinger aus Konstanz zusammen mit dem Schweizer Kaufmann Hieronymus Sailer von Karl V. das Recht und die Verpflichtung, 4000 versklavte Menschen in die Kolonien zu bringen und dort zu verkaufen, darunter ein Drittel Frauen.[3]

Der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen (1620–1688) ließ im Sommer 1680 die erste Expedition nach Afrika unter brandenburgischer Flagge stattfinden, um sich unter anderem auch am Sklavengeschäft zu beteiligen.[4] Er schuf 1682 die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie und gründete an der Küste des heutigen Ghana die Kolonie Groß Friedrichsburg mit der gleichnamigen Festung.[4] Zu den Sklavenschiffen zählten die Friedrich Wilhelm zu Pferde und die Fregatte Friedrich III.[5] Etwa insgesamt 30.000 Sklaven wurden in Amerika verkauft.[6] Als bis heute grundlegend gilt das zweibändige Werk von Richard Schück „Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern (1647–1721)“ von 1889.[7]

Der dänische Kaufmann und Sklavenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann (1724–1782) operierte unter anderem vom dänischen Altona aus. Die Beteiligung Hamburger Kaufleute ist unerforscht.[8]

Deutschstämmige Unternehmer gingen ins Ausland, um sich am Dreieckshandel zu beteiligen. So gingen etwa Peter Meyer, die Kaufmanns- und Senatorenfamilie Rücker und die Handelsfirma Schröder von Hamburg nach London; die Familie Dravermann aus Bremen, Ernst Wilhelm Overmann aus Hamburg und Friedrich Romberg aus Iserlohn gingen nach Bordeaux.[2][9] Die Reederei Romberg, Bapst & Cie wurde mit sechs eigenen Schiffen größtes Sklavenhandelsunternehmen der Stadt; 1793 ging das Unternehmen in Konkurs.[10][11]

Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR), in Kraft getreten 1794, verbot die Sklaverei, doch bedeutete es für Sklaven und deren Kinder noch keine unmittelbare Freiheit.

Bremer Kaufleute und Geistliche der Norddeutschen Mission errichteten ab 1850 in Ghana und Togo aktiv. Sie kauften insbesondere billige Sklavenkinder ein, die für sie arbeiten mussten, bis sie ihren Kaufpreis eingebracht hatten.[12] 1918 verloren die Deutschen ihre Kolonien.

Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. dekretiert schließlich per Gesetz vom 9. März 1857: „Sklaven werden von dem Augenblick an, wo sie preußisches Gebiet betreten, frei.“

1895 wurde im Deutschen Reich die Verordnung, betreffend Ausführungsbestimmungen zu der General-Akte der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz zur Unterbindung illegalen Sklavenhandels erlassen.

Dokumentierte Einzelfälle im deutschen Raum

Ab dem 17. Jahrhundert breitete sich die Modewelle „höfischer Mohren“ in verschiedene Länder Europas aus. Bekannte Beispiele sind Angelo Soliman in Wien und Abraham Petrowitsch Hannibal in Sankt Petersburg.[13]

Rebekka von Mallinckrodt und andere Historiker beschreiben mehrere Fälle von Sklavenhaltung 17. und 18. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.[14][15]

  • Friedrich II. von Preußen (1712–1786) liess sich 1740 über den Regierungsrat Johann Peter von Raesfeld in Cleve und den preußischen Residenten in Amsterdam, Philip Anthony D’Erberfeldt, zwei Schwarzafrikaner in den Niederlanden beschaffen[14]
  • Prinz Ferdinand von Preußen (1730–1813), sein Bruder, hielt sich bis zum Ende des Jahrhunderts „Hofmohren[14]
  • Ein Mann afrikanischer Herkunft im Besitz des preußischen Beamten Joachim Erdmann von Arnim (1741–1804) verfasste eine Petition im Jahre 1780 an Friedrich II., die von einem Gutachter des Berliner Kammergerichts öffentlich diskutiert wurde. Er war in Kopenhagen gekauft worden. In seinem Gesuch pochte er auf seine „Befugnis zur Freyheit“.[16]
  • Wilhelm Liborius Felix Endomiro, Æthiops sive Mauritanus, ein Paderborner Hofmohr aus Surinam, heiratete Maria Magdalena Busch aus Haaren am 24. Februar 1778 in der Pfarrkirche von Schloß Neuhaus.[17]
  • Zwischen 1653 und 1753 befanden sich am Hof zu Wolfenbüttel 14 farbige Frauen und Männer als Dienerinnen und Diener, darunter der spätere Magister der Philosophie und Privatdozent Anton Wilhelm Amo.[17]
  • Henrich Johann Junckering lebte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Roxel bei Münster. Er war angeblich von einem der Freiherren von Droste zu Hülshoff hierher gebracht worden. Er wurde Organist der Roxeler Pfarrkirche.[17]
  • Der Schiffszimmermann Martin Harnack kaufte in Guinea einen Slaven und verkaufte ihn im Alter von 7 Jahren am 28. Januar 1733 im Amte Balga an den Königsberger Kriegs- und Domänenrat Philipp Jacob Manitius (1692–1749) für einhundert Reichstaler weiter.[14]
  • Der Kammermohr Ignatius Fortuna wurde vom Rentmeister Franz Adam Schiffer etwa 1735 in Surinam erworben. Er stand in Diensten der beiden Essener Fürstabtissinnen Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach und Maria Kunigunde von Sachsen. Er starb 1789 im Alter von etwa 60 Jahren.[17] Die Familie Schiffer erhob nach dem Tod 1789 einen Anspruch auf sein Erbe.[18]
  • Franz Wilhelm Yonga (1751–1798), der 1790 eine Klage bei der hochfürstlichen Regierungskanzlei im lippischen Detmold gegen seinen früheren Herrn und Besitzer Franz Christian von Borries (1723–1795) anstrengte, um seine Altersversorgung zu schützen.[19][20] Er war im Alter von 14 Jahren am 20. Juli 1765 auf einem Sklavenmarkt in London gekauft worden.[21]
  • Samuel Johannes wurde als Sechsjähriger in Ceylon gekauft und an Dorothea von Zinzendorf gegeben. Als erwachsener Mann im März 1754 schlich er sich heimlich davon. Zinzendorf machte vor Gericht geltend, dass sie „nebst Gott ohnstreitig das alleinige Recht zu dem Besitz und Gebrauch dieses Menschen habe“.[2]
  • Fürst Pückler (1785–1871) kaufte um 1837 eine junge Abessinierinnen in Kairo. Ajiamé begleitete ihn auf seinen Reisen begleitete; er unterhielt zu ihr eine sexuelle Beziehung.[22] Er erwarb er im sudanesischen Khartum noch weitere Sklavinnen für seine Entourage.[23]
  • Der Archäologe Karl Richard Lepsius (1810–1884) brachte aus Abessinien einen schwarzen Jungen mit.[22]
  • Herzog Maximilian von Bayern (1808–1888) kaufte 1838 fünf Sklaven und brachte sie mit nach München.[23]
  • August Sabac el Cher, Sudan, wurde als acht Jahre altes Kind von Prinz Albrecht, jüngster Bruder des Königs Friedrich Wilhelm IV., 1843 als ein Geschenk des ägyptischen Vizekönigs an den preußischen Hof gebracht. Sein Sohn Gustav Sabac el Cher wurde Militärmusiker.[22]
  • Der letzte Sklavenprozess in Deutschland fand ab 1854 in Berlin statt. Ein Sklave namens Marcellino (?–1874) war 1853 mit seinem wohlhabenden Herrn aus Brasilien gekommen. Als Kurator wurde ihm der Rechtsanwalt Karl Friedrich Heinrich Straß (1803–1864) „behufs Erlangung seiner persönlichen Freiheit“ beigeordnet. Straß machte eine „Provocationsklage“, das heißt, die Aufforderung an den Herrn zur gerichtlichen Verfolgung seines Rechts am Sklaven binnen neun Monaten zur Vermeidung der Absprechung seines Eigentums. In drei Instanzen über Stadt- und Kammergericht bis zum Obertribunal 1855 hatte die Klage Erfolg.[24]

Sklaverei im 20. Jahrhundert

Hans Frank (1900–1946), Generalgouverneur in Polen, verkündete 1939: „Die Polen sollen die Sklaven des Großdeutschen Weltreiches sein.“[25] Die systematische Ausbeutung von über 13,5 Millionen[26] Menschen ähnelte anderen historischen und aktuellen Formen der unfreien Arbeit und des Sklavenhandels, doch wurde auch ihr Tod geplant oder in Kauf genommen.[25] Im Nürnberger Militärtribunal wurde von „slave labour programme“ gesprochen.[26] Erst in den 1990er Jahren wurde der Begriff „Sklavenarbeit“ wieder verwendet.[25]

21. Jahrhundert

Zur modernen Sklaverei werden Zwangsarbeit, erzwungene Prostitution, Schuldknechtschaft, Zwangsheirat und Kinderausbeutung (Kinderarbeit, Kinderprostitution) gerechnet. 2016 identifizierte die Polizei 536 Fälle von Zwangsarbeit, illegaler Prostitution und Kinderarbeit in Deutschland. Der Global Slavery Index (GSI) geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 167.000 moderne Sklaven gibt.[27][28]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ernst Emerig: Slawen in Regensburg. Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg, 25. August 2016
  2. a b c Bundeszentrale für politische Bildung: Deutsche Verwicklungen in den transatlantischen Sklavenhandel.
  3. Hans Fässler: Der erste Sklavenhändler der Eidgenossenschaft. In: Tagesanzeiger, 2. April 2019
  4. a b Andrea Weindl: Die Kurbrandenburger im ‘atlantischen System’ 1650-1720. 2001
  5. Eigel Wiese: Sklavenschiffe: Das schwärzeste Kapitel der christlichen Seefahrt. Koehlers Verlagsgesellschaft, 2015
  6. Deutscher Sklavenhandel. In: Planet Wissen online, 14. August 2018
  7. Richard Schück: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern (1647-1721). 1889.
  8. Norddeutsche Kolonialgeschichte. Altona, gebaut aus Sklaven-Gold. In: taz, 12. Juni 2017
  9. Klaus Weber: Mitteleuropa und der transatlantischeSklavenhandel: eine lange Geschichte.
  10. Friedhelm Groth: „Haus Stephanopel“: Geldgeber Friedrich von Romberg und der internationale Sklavenhandel - Was das uffällige Halbrelief am Haus Stephanopel 61 zu erzählen hat... Heimatgeschichtliche Rekonstruktionsversuche
  11. Friedrich von Romberg, der Sklavenhändler aus dem Sauerland – unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte Stephanopels. Heimatkundlicher Vortrag beim Rotary Club Hemer am 28. September 20
  12. Neue Ausstellung in der Bürgerschaft. Bremer Kaufleute waren Sklavenhalter. In: Bild, 13. Januar 2012
  13. Andreas Becker: Preußens schwarze Untertanen. Afrikanerinnen und Afrikaner zwischen Kleve und Königsberg vom 17. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. 22. 2012. Seiten 1–32
  14. a b c d Rebekka von Mallinckrodt: Sklaverei, Leibeigenschaft und innereuropäischer Wissenstransfer am Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Geschichte und Gesellschaft, Nr. 43, 2017, S. 347–380
  15. Rebekka von Mallinckrodt: Verschleppte Kinder im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und die Grenzen transkultureller Mehrfachzugehörigkeit. In: Dagmar Freist, Sabine Kyora, Melanie Unseld: Transkulturelle Mehrfachzugehörigkeit als kulturhistorisches Phänomen: Räume - Materialitäten - Erinnerungen. transcript Verlag, 2019, Seite 15 ff.
  16. Hans Kiefner: Zur „Rechtsgeschichte eines erkauften Mohren“. Das Berliner Kammergericht und Friedrich der Große über Sklaverei. Ein Supplikationsverfahren im Jahr 1780. In: Hans-Uwe Erichsen u.a. (Hg.): Recht der Persönlichkeit. Berlin 1996, S. 105–139
  17. a b c d Hans Jürgen Rade: Der Hofmohr Wilhelm Liborius Endomiro.
  18. Ignatius Fortuna’s white “siblings” petition for his estate (1789) (englisch)
  19. Deut­sche Sklaven gegen ihre Herren; in: Legal Tribune Online, 8. Oktober 2018
  20. Wolfgang Bechtel: Vom Sklaven zum Familienvater. Das Leben des "Kammermohren" Franz Wilhelm Yonga (1751–1798). In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde; 2015; 84. Band (2015), Seite 11–35
  21. Das Leben des Sklaven Yonga in Lippe; in der Lippischen Landes-Zeitung, am 20. Dezember 2015
  22. a b c Afrikaner in Preußen: Gustav, der Kapellmeister; im Tagesspiegel, am 9. Februar 2015
  23. a b Die Abessinierin im Gefolge Fürst Pücklers: Das Rätsel der Machbuba; im Tagesspiegel, am 27. Dezember 2017
  24. Michael Grünberger: Exkurs: Sklaverei als Rechtsproblem in Deutschland. In: Michael Grünberger: Personale Gleichheit. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Zivilrecht. 1. Auflage 2013, Reihe: Neue Schriften zum Zivilrecht, Bd. 1. ISBN 978-3-8487-0597-9. Seiten 141–149.
  25. a b c Zwangsarbeitsarchiv: „Sklavenarbeit“: War die NS-Zwangsarbeit Sklaverei?
  26. a b Bundesarchiv: Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus » Begriffe, Zahlen, Zuständigkeiten.
  27. Du dachtest, es gibt keine Sklaven in Deutschland? Think Again. In: Watson, 21. Juli 2018
  28. GSI: Germany.

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