Chronik der DDR (1961–1970)

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Chronik der DDR (1961–1970) ergänzt den Hauptartikel Geschichte der DDR um eine Chronologie der Ereignisse in der Stabilisierungsphase der Deutschen Demokratischen Republik.

1961

Die DDR-Staatssicherheit entführt am 16. Juni den ehemaligen SED-Funktionär und nach seiner Flucht nach West-Berlin als Redakteur der westdeutschen Gewerkschaftszeitung Metall tätigen Heinz Brandt aus West-Berlin.

Walter Ulbricht erklärt am 15. Juni auf einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Im Juli 1961 hat die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR und Ost-Berlin mit 30.415 Menschen den höchsten Stand seit Juni 1953 erreicht.

Am 13. August wird auf Weisung von Ulbricht, unter Zustimmung der Sowjetunion und unter der Koordination von Erich Honecker die DDR-Grenze zu West-Berlin geschlossen und die Berliner Mauer errichtet. Ihre Öffnung im Jahre 1989 läutet die Wende und friedliche Revolution ein.

Am 22. August wird die „Anwendung der Waffe“ gegen Flüchtlinge befohlen.

Am 24. August wird der 24-jährige Günter Litfin in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße von Transportpolizisten bei einem Fluchtversuch erschossen. Er ist damit der erste von 270 Menschen, die nach offizieller Zählung der Berliner Staatsanwaltschaft an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer starben.

Die Deutsche Grenzpolizei (DGP) wird am 15. September in Grenztruppen der DDR umbenannt und dem Ministerium für Nationale Verteidigung unterstellt.

3. Oktober: In der DDR werden während der Aktion Festigung bzw. Aktion Kornblume 3175 Menschen aus dem Sperrgebiet zwangsausgesiedelt.

Ost-Berlin wird am 7. September zum 15. Bezirk der DDR erklärt.

Am 20. September beschließt die Volkskammer das „Gesetz zur Verteidigung der DDR“.

Nach dem XXII. Parteitag der KPdSU (17.–31. Oktober) beginnt die zweite Entstalinisierungswelle. In deren Zug wird am 13. November das ostdeutsche Stalinstadt in Eisenhüttenstadt und die Ost-Berliner Stalinallee in Karl-Marx-Allee umbenannt.

1962

Am 24. Januar beschließt die Volkskammer die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der DDR und Ost-Berlin.

Heinz Brandt wird am 10. Mai zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Am 23. Mai beschießen West-Berliner Polizisten ostdeutsche Grenzsoldaten, um einen beim Durchschwimmen der Spree von Schüssen der Grenzer schwer verletzten Flüchtling, einen 15-jährigen Jungen, zu bergen. Dabei wird der Gefreite Peter Göring getötet, er wird postum zum Unteroffizier der DDR-Grenztruppen befördert.

Der 18-jährige Ost-Berliner Peter Fechter wird am 17. August bei einem Fluchtversuch an der Berliner Mauer angeschossen und verblutet im Todesstreifen. Rund 50 Minuten lassen die DDR-Grenzposten den schwer verletzten, schreienden Mann liegen. Im Westen kommt es zu Protestdemonstrationen. An der Mauer schießt Westberliner Polizei mit Tränengas in Richtung Osten, nachdem DDR-Grenzpolizisten eine Protestkundgebung auf West-Berliner Seite mit Tränengas beschossen hatten.

Der Komponist Hanns Eisler stirbt am 6. September.

Die Handelsorganisation Intershop wird am 14. Dezember gegründet. Sie darf nur von Ausländern mit konvertierbaren Währungen genutzt werden.

1963

Die Wirtschaftskonferenz des ZK der SED (24./25. Juni) beschließt mit dem Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL) eine Wirtschaftsreform.

Am 22. Oktober schließen die Mitgliedsstaaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ein Abkommen über die Einführung des Transferrubels als Verrechnungseinheit und die Gründung der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Moskau.

Am 14. November wird Ulbricht als Staatsratsvorsitzender und Otto Grotewohl als Vorsitzender des Ministerrates wiedergewählt. Margot Honecker geborene Feist, Ehefrau von Erich Honecker, wird Ministerin für Volksbildung.

Ein erstes Passierscheinabkommen zwischen der Regierung der DDR und dem Senat von West-Berlin kommt am 17. Dezember zustande.

1964

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Eine DDR-Briefmarke erinnert an den Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion am 12. Juni 1964

Am 11. Januar wird die letzte gesamtdeutsche Olympia-Mannschaft nominiert.

Der Chemieprofessor an der Ost-Berliner Humboldt-Universität Robert Havemann wird am 13. März wegen regimekritischer Äußerungen amtsenthoben. Der Kommunist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hatte die dogmatische Verhärtung von Ideologie und Politik in der DDR kritisiert.

Auf der zweiten Bitterfelder Konferenz für sozialistische Nationalkultur in der DDR (24. April bis 25. Mai) rückt die DDR-Führung von dem Programm der ersten Bitterfelder Konferenz von 1959, dem so genannten Bitterfelder Weg, ab.

Vom 16. bis 18. Mai findet das letzte Deutschlandtreffen der Jugend in Ost-Berlin mit mehr als einer halben Million Teilnehmer aus beiden deutschen Staaten statt.

Die Sowjetunion garantiert am 12. Juni in einem Freundschafts- und Beistandsabkommen die Unantastbarkeit der Staatsgrenzen der DDR.

Die Volkskammer bestätigt am 1. September die Straffreiheit für DDR-Flüchtlinge, die vor dem 13. August 1961 (dem Tag des Baus der Berliner Mauer) die DDR verlassen haben.

Am 7. September wird der Wehrdienst als Bausoldat ohne Waffe in der Nationalen Volksarmee (NVA) eingeführt.

Der Ministerrat entscheidet am 9. September, dass Bürgern im Rentenalter einmal pro Jahr eine Reise zu Verwandtenbesuchen in die Bundesrepublik oder nach West-Berlin gewährt werden darf. Nach dem Berliner Mauerbau waren Besuchsreisen in den Westen im Allgemeinen nicht mehr möglich.

Am 21. September stirbt Otto Grotewohl, der Vorsitzende des Ministerrates der DDR.

Willi Stoph (1914–1999) wird am 24. September neuer Vorsitzender des Ministerrates und stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates der DDR.

In der DDR werden am 1. Oktober Postleitzahlen eingeführt.

Am 6. Oktober wird eine Amnestie erlassen. Etwa 10.000 kriminelle und politische Häftlinge werden auf freien Fuß gesetzt. Unter ihnen sind Wolfgang Harich, Georg Dertinger und Heinz Brandt.

In der Sowjetunion wird am 14. Oktober Nikita Chruschtschow gestürzt. Sein Nachfolger wird Leonid Breschnew.

Nach Inkrafttreten einer Passierscheinregelung besuchen am 2. November die ersten Rentner aus der DDR wieder ihre Verwandten in West-Berlin und der Bundesrepublik Deutschland.

1965

Am 24. Februar führt der erste Staatsbesuch Ulbrichts außerhalb der Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts nach Ägypten unter Gamal Abdel Nasser. Als Reaktion darauf stellt die Bundesrepublik Deutschland ab dem 7. März die Wirtschaftshilfe für Ägypten ein und nahm diplomatische Beziehungen mit Israel auf.[1]

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) lässt am 8. Oktober zu den Olympischen Spielen 1968 erstmals zwei getrennte deutsche Mannschaften zu und erkennt das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR an.

Erich Apel, Kandidat des Politbüros und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, begeht am 3. Dezember wegen eines die DDR benachteiligenden Handelsvertrages mit der UdSSR Selbstmord. Alfred Neumann unterzeichnet den Vertrag. Gerhard Schürer wird Apels Nachfolger.

Das 11. Plenum des ZK der SED (15.–18. Dezember) beschließt die zweite Etappe des Neuen ökonomischen Systems des Planung und Leitung (NÖSPL) und übt rigorose Kritik an unbotmäßigen Schriftstellern und Künstlern („Kahlschlagsplenum“).

1966

Am 12. Januar wird der Minister für Kultur, Hans Bentzien, wegen eines „ernsten Fehlers“ abberufen. Sein Nachfolger wird Klaus Gysi.

Das Mitglied des Politbüros des ZK der SED Erich Mückenberger bezeichnet den Liedermacher Wolf Biermann, den Schriftsteller Stefan Heym und den Wissenschaftler Robert Havemann als „Verbündete der Gegner des Sozialismus“.

Ab dem 1. April ist jeder zweite Sonnabend arbeitsfrei.

Obwohl ihre Mitglieder sich am 23. April mit einer Stimme Mehrheit dagegen aussprechen, wird Robert Havemann am 1. April aus der Akademie der Wissenschaften der DDR ausgeschlossen.

Am 9. Mai wird in Rheinsberg das erste Kernkraftwerk in der DDR in Betrieb genommen.

1967

Die Volkskammer verabschiedet am 20. Februar das Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR, das die bisherige deutsche Staatsbürgerschaft ablöst. Ost-Berlin ist in diese Regelung einbezogen.

Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Kurt Georg Kiesinger sucht am 12. April den Kontakt zur DDR und plädiert für ein geregeltes Nebeneinander und engere wirtschaftliche Verbindungen.

Auf dem 7. Parteitag der SED (17.–22. April 1967) wird die Einführung der 5-Tage-Arbeitswoche beschlossen – verbunden mit der Streichung von fünf Feiertagen. Dies betrifft Ostermontag, den Tag der Befreiung, Christi Himmelfahrt, den Reformationstag sowie den Buß- und Bettag.

Am 1. Juli wird die MfS-Mobilmachungsdirektive 1/67 erlassen, die unter anderem die Planung von Isolierungslagern für Regimegegner vorsieht.

Bei den Wahlen zur Volkskammer stimmen laut offiziellen Angaben 99,93 % für die Einheitsliste.

Am 6. Juli kommt es zum Eisenbahnunfall von Langenweddingen.

Am 12. Juli stirbt in Berlin der Maler Otto Nagel, Gründungsmitglied und 1956–1962 Präsident der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin.

In der Zeit vom 1. bis 18. August markiert die DDR einseitig die gesamte innerdeutsche Grenze und errichtet erste Metallgitterzäune.

Am 28. August wird die 5-Tage-Arbeitswoche eingeführt.

Mit der Verurteilung von 37 „Fluchthelfern“ am 18. August beginnt eine ganze Welle von gleichartigen Prozessen.

Am 12. Dezember wird die Währung der DDR von Mark der Deutschen Notenbank (MDN) in Mark der Deutschen Demokratischen Republik (M) umbenannt.

1968

Die Volkskammer verabschiedet am 12. Januar ein neues Strafgesetzbuch. Danach werden politische Delikte härter bestraft. Nach § 213 gilt ein ungesetzlicher Grenzübertritt als Verbrechen und wird mit bis zu acht Jahren Haft bestraft.

Die neue Verfassung der DDR wird am 6. April durch Volksentscheid angenommen und tritt am 8. April in Kraft. Sie bestimmt die DDR als sozialistischen Staat deutscher Nation und schreibt die führende Rolle der SED fest.

Am 11. Juli kommt es zum Chemieunfall in Bitterfeld.

Einheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) beteiligen sich am 20./21. August nicht am Einmarsch von Truppen von Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei und an der Niederschlagung des Prager Frühlings.

Demonstranten gegen den Einmarsch in die Tschechoslowakei werden vom 21. bis 28. Oktober in Ost-Berlin verurteilt.

1969

Am 5. März wählt die Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland in West-Berlin Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten. Die DDR protestiert gegen den Ort der Wahl und behindert einige Tage lang den Transitverkehr nach West-Berlin.

Am 17. März ergeht der Budapester Appell der Staats- und Regierungschefs der Staaten des Warschauer Pakts. Dabei wird eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vorgeschlagen.

Am 3. April beschließt der Staatsrat der DDR die Weiterführung der 3. Hochschulreform.

Kambodscha nimmt am 8. Mai als erstes Land außerhalb des sowjetischen Systems volle diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Es folgen der Irak und weitere Staaten der Dritten Welt.

Die bisher der EKD angehörenden Landeskirchen der DDR schließen sich am 10. Juni zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) zusammen.

Am 29. September unterzeichnet die DDR den Atomwaffensperrvertrag.

Das 2. Fernsehprogramm der DDR beginnt am 3. Oktober mit seinen Sendungen. Einige Tage später folgen die ersten Farbsendungen auf der Basis des französisch-sowjetischen SECAM-Systems.

Am Rande der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der DDR am 7. Oktober führt das Gerücht, auf dem Dach des Axel-Springer-Hochhauses unweit der Berliner Mauer würden The Rolling Stones spielen, zu schweren Jugendkrawallen.[2]

Am 17. Dezember unterbreitet die DDR Vorschläge zur Normalisierung der Beziehungen mit der Bundesrepublik auf der Grundlage der „friedlichen Koexistenz“. Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht schlägt am 18. Dezember in einem Brief an Bundespräsident Gustav Heinemann die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik vor. Der Bundespräsident teilt in einem Antwortschreiben mit, dass er den Brief zuständigkeitshalber an die Bundesregierung weitergeleitet habe.

1970

Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Willy Brandt trifft sich am 19. März in Erfurt mit dem Ministerpräsidenten der DDR Willi Stoph. Am Rande des Treffens bekundet die DDR-Bevölkerung ihre Sympathie für Willy Brandt.

Die Botschafter der USA, der UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs beginnen am 26. März mit Verhandlungen zu einem Viermächteabkommen über Berlin.

Am 21. Mai findet das zweite Treffen der deutschen Regierungschefs Willy Brandt und Willi Stoph in Kassel statt.

Am 12. November wird das Abkommen über Warenaustausch und Zahlungen zwischen der DDR und der UdSSR für die Jahre 1971–1975 in Ost-Berlin unterzeichnet.

Am 27. November beginnt ein Meinungsaustausch zwischen dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Egon Bahr, und dem Staatssekretär beim Ministerrat der DDR, Michael Kohl. Die vom 9. Dezember bis 11. Dezember stattfindende 14. Tagung des ZK der SED beschließt Modifikationen der ökonomischen Strategie.

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten