Jacinda Ardern

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Jacinda Ardern (2020)
Jacinda Kate Laurell Ardern

[dʒəˈsɪndə ˈɑːdɜːn] (* 26. Juli 1980 in

Hamilton

, Neuseeland) ist eine neuseeländische Politikerin. Sie ist seit August 2017 Vorsitzende der

und amtiert seit Oktober 2017 als 40. Premierminister von Neuseeland. Im Oktober 2020 wurde sie bei der neuseeländischen Parlamentswahl für weitere drei Jahre im Amt bestätigt.

Leben

Herkunft, Ausbildung und Familie

Jacinda Ardern

wurde 1980 als Tochter von Laurell und Ross Ardern – beide Mormonen[1] – in

Hamilton

geboren. Sie besuchte die

Primary

und

Secondary School

in

, einer Provinzstadt in der Region

Waikato

. Es folgten einige Jahre in

, wo ihr Vater Polizeibeamter war. Ihr 1999 begonnenes Studium[2] an der

University of
Waikato

beendete sie mit dem

Bachelor of Communication Studies

.[3] Zusammen mit ihrem Lebensgefährten

Clarke Gayford

hat

Ardern

eine Tochter, die am 21. Juni 2018, als sie schon als Premierministerin amtierte, zur Welt kam.[4] Ardern war damit die zweite gewählte Regierungschefin eines Landes, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekam (nach Benazir Bhutto 1990).[5] Sie lebt mit ihrer Familie in Auckland. Aus Anlass ihres Amtsantritts als Premierministerin war

Ardern

in der Fernsehsendung

The Project

von Moderator

Jesse Mulligan

und später ein weiteres Mal von

Mark Richardson

in der

des Senders TV3 nach ihrem Kinderwunsch gefragt worden. Sie konterte, dass es – wie im

Human Rights Act

von 1993 festgelegt – nicht akzeptabel sei, dass Frauen im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz nach ihrem Kinderwunsch befragt werden und dass es für einen Arbeitgeber illegal ist, eine derzeitige oder potenzielle Arbeitnehmerin zu diskriminieren, weil sie schwanger ist oder in Zukunft Kinder haben möchte.[6] Was folgte, war eine landesweite öffentliche Diskussion, in der ihr eine Mehrheit der Befragten recht gab.[7]

Politische Karriere

Ardern (2011)

Im Alter von 17 Jahren trat

Ardern

in die

Labour Party

ein. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaften und Public Relations arbeitete sie zuerst für den Parlamentsabgeordneten

und anschließend für die Premierministerin

.[8] 2005 ging sie nach London, wo sie während zweieinhalb Jahren im

Cabinet Office

des Premierministers Tony Blair als Stellvertretende Leiterin der

Better Regulation Executive

tätig war.[8] 2007 wurde sie Präsidentin der

. 2008 gewann

Ardern

einen Parlamentssitz für die

Labour Party

in

Waikato

und ist seitdem ununterbrochen Mitglied des neuseeländischen Repräsentantenhauses.[3] In ihrer Antrittsrede forderte sie die Einführung eines obligatorischen Unterrichts in maorischer Sprache in den Schulen des Landes und verurteilte die Regierung für die aus ihrer Sicht „beschämende“ Reaktion auf den Klimawandel.[9] Als jüngstes Parlamentsmitglied wurde sie zur Partei-Sprecherin der

Labour Party

für Jugendfragen ernannt und darüber hinaus in die Sonderausschüsse für

Regulations Review

und

Justice and Electoral

gewählt.[8] Ardern wurde Sprecherin ihrer Partei für Kinder-Angelegenheiten (2012), für Kunst, Kultur und kulturelles Erbe (2013), für Justiz und für Kleinbetriebe (2014). Zudem war sie ab 2015 Stellvertretende Sprecherin für Auckland-Angelegenheiten.[9] 2014 wurde sie vom

World Economic Forum

zum

Young Global Leader

ernannt.[10] Nach ihrem Umzug nach

ließ sie sich mit ihrer Familie im Stadtteil

Mt Albert

nieder. Bei einer Nachwahl im gleichnamigen Wahlbezirk gewann sie im Februar 2017 ihr erstes Direktmandat.[3] Einen Monat später wurde sie stellvertretende Oppositionsführerin.[9] Nach dem Rücktritt von

Andrew Little

als Vorsitzendem der

Labour Party

Ende Juli 2017 übernahm

Ardern

am 1. August die Parteiführung.[11] Damit wurde sie zugleich Oppositionsführerin im Parlament von Neuseeland.[9] Nach einer Blitzumfrage der Tageszeitung

New Zealand Herald

stieß der Wechsel an der Parteispitze auf breite Zustimmung in der Bevölkerung: Unter

Little

wollten zuletzt nur noch 24 Prozent der Wähler der

Labour Party

ihre Stimme geben.[11] Dagegen konnten sich Anfang August 2017 bereits 46 Prozent der Befragten vorstellen,

Labour

zu wählen.[12]

Politik als Premierministerin

Nach der Parlamentswahl im September 2017 wurde

Ardern

nach der Koalition ihrer Partei mit der Partei

von

und unter Duldung der

Green Party of
Aotearoa
New Zealand

zu Neuseelands 40. Prime Minister gewählt und am 26. Oktober 2017 von der Generalgouverneurin von Neuseeland,

, vereidigt.[13]

Ardern

verfolgt eine progressive Politik.[14] Sie setzt sich für eine multilaterale Politik und für Klimaschutz ein, um die globale Erwärmung zu bekämpfen. Als Premierministerin setzte sie unter anderem ein reformiertes Steuersystem zugunsten von Familien, eine bessere Förderung ländlicher Regionen und Maßnahmen für bezahlbares Wohnen durch.[15] Im Oktober 2020 gewann

Ardern

mit ihrer Labour Party die Parlamentswahl in Neuseeland 2020 mit großem Vorsprung. Labour erreichte als erste Partei seit Einführung des Verhältniswahlrechts in den 1990er Jahren die absolute Mehrheit. Medien sprachen von „Erdrutschsieg“ und führten diesen auf die sehr erfolgreiche Politik Arderns im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie zurück. Neuseeland war es zu diesem Zeitpunkt bereits zum zweiten Mal gelungen, keinen einzigen bekannten aktiven Corona-Fall im Land zu haben. Insgesamt hatten sich in Neuseeland bis zur Wahl weniger als 2000 Menschen infiziert, und 25 Menschen starben.[16] Seit dem 6. November 2020 ist

Arderns

zweites Kabinett im Amt, das sie als „unglaublich divers“ vorstellte.[17] Um die Zusammenarbeit mit der Green Party aus dem Vorgängerkabinett fortzusetzen, schloss sie ein Kooperationsabkommen mit der Partei. In

Umwelt- und Wohlstandsfragen seien sich die Parteien in vielen Punkten einig, „die gut für Neuseeland sind“, begründete sie die Entscheidung.[18]

Einführung des Wellbeing Budget

Ardern während des WEF 2019

Auf dem

World Economic Forum

kündigte

Ardern

im Januar 2019 an, dass Neuseeland in seiner Finanzpolitik einen neuen Ansatz verfolgen wolle. Er sieht vor, dass nicht nur der ökonomische Wohlstand, sondern auch das gesellschaftliche Wohlbefinden berücksichtigt wird. In der Praxis sollen die einzelnen Ministerien aufzeigen, wie die staatlichen Ausgaben den Menschen zugutekommen. So sollen zum Beispiel mit jedem Budget zugleich die Zahlen zur Kindesarmut vorgelegt werden.[19] Im Mai 2019 stellte die neuseeländische Regierung das weltweit erste

vor.[20] Es setzt fünf Schwerpunkte:

  • Unterstützung des Übergangs zu einer nachhaltigen und emissionsarmen Wirtschaft,
  • Unterstützung einer florierenden Nation im digitalen Zeitalter,
  • Erhöhung der Einkommen, Fähigkeiten und Möglichkeiten der indigenen Bevölkerung,
  • Verringerung der Kinderarmut
  • sowie die Unterstützung der psychischen Gesundheit mit einem besonderen Fokus auf junge Menschen.[21]

Die größte Budgeterhöhung erfolgte im Bereich psychische Gesundheit. In diesem Gebiet sollen über vier Jahre hinweg 1,9 Mrd. NZ$ eingesetzt werden. Auch in Maßnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt wurde die Rekordsumme von 320 Mio. NZ$ investiert.

Das

Wellbeing Budget

wurde einerseits sehr gelobt, etwa von der

Mental Health Foundation of New Zealand

, andererseits aber auch scharf abgelehnt. Oppositionsführer

von der

kritisierte beispielsweise, dass Familien mehr Geld für Essen, Benzin und Miete in ihrer Haushaltskasse wünschten, während ihre Steuern in Bahnverbindungen, Verteidigungskräfte und Bäume investiert würden.[20]

Terroranschlag von Christchurch

In

Arderns

Amtszeit als Premierministerin fiel der Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch durch den australischen Rechtsterroristen Brenton Tarrant im März 2019 mit 51 Toten. Als Reaktionen darauf kündigte sie eine zügige Verschärfung des Waffenrechts an[22] und setzte diese innerhalb weniger Tage auch durch.[23] Dafür und für

Arderns

Umgang mit den Opfern des Anschlags wurde sie überwiegend gelobt,[24][25] etwa als sie Verletzte und Hinterbliebene mit einem Kopftuch bekleidet besuchte, um ihre Solidarität zu zeigen, sie umarmte und keinerlei Berührungsängste zeigte. Sie zeigte sich damit als weltoffen, verständnisvoll und souverän und wird seither von den Muslimen in Neuseeland sehr geschätzt. Ihre allgemeine Popularität zeigte sich auch daran, dass ein Video – in dem sie die Errungenschaften ihrer ersten zwei Jahre im Amt aufzählt – im November desselben Jahres viral wurde.[26][27]

Maßnahmen gegen COVID-19

Die zielgerichteten Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie in Neuseeland steigerten

Arderns

Popularität laut Umfragen zusätzlich.[28] Nach einem strengen zweimonatigen Lockdown erklärte sie Neuseeland am 8. Juni 2020 covidfrei. Bis dahin waren 1504 Infektions- und 22 Todesfälle bekannt geworden.[29] Am 15. Juni 2020 wurde jedoch bekannt, dass zwei Einreisende aus dem Vereinigten Königreich das Virus erneut nach Neuseeland eingeschleppt hatten.[30]

Außenpolitik

Laut Ardern beeinflusst der russische Überfall auf die Ukraine auch die Sicherheit Neuseelands, denn er stellt eine „unmittelbare Bedrohung der territorialen Integrität eines anderen Landes, der Demokratie und der regelbasierten Weltordnung, auf die auch Länder wie wir sich verlassen“ dar. Die Gefahr einer weiteren Militarisierung der indopazifischen Region steige zudem durch das aggressive Vorgehen Chinas. Das Konzept einer „feministischen Außenpolitik“ lehnt Ardern ab, da sich Außenpolitik nicht durch die Geschlechterbrille betrachten lasse.[31]

Dedikationsnamen

2021 benannte der Biologe Stephen A. Trewick die flugunfähige Wetaart Hemiandrus jacinda aus der Unterordnung der Langfühlerschrecken zu Ehren

Arderns

.[32]

Weblinks

Commons: Jacinda Ardern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Liam Fitzpatrick, Casey Quackenbush: Jacinda Ardern, New Zealand's 37-Year-Old Leader, Rolls Up Her Sleeves. In: Time Magazine. 20. November 2017, abgerufen am 16. Juni 2019 (englisch).
  2. John Edens
    :
    The rise and rise of Jacinda Ardern
    .
    Radio New Zealand
    , 1. August 2017, abgerufen am 1. August 2017 (englisch).
  3. a b c
    Nicholas Jones
    :
    Who is Jacinda Ardern?
    .
    New Zealand Herald
    , 1. August 2017, abgerufen am 1. August 2017 (englisch).
  4. Neuseelands Premierministerin Ardern bringt Tochter zur Welt. In: Frankfurter Allgemeine. 21. Juni 2018, abgerufen am 21. Juni 2018.
  5. M Ilyas Khan: Ardern and Bhutto: Two different pregnancies in power. BBC News, 21. Juni 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch).
  6. Jacinda Ardern and Mark Richardson clash over questions about her baby plans
    .
    (eingebundenes Video (34 sec)) In:
    Stuff - Politics
    .
    Fairfax Media
    , 2. August 2017, abgerufen am 2. August 2017 (englisch, Jacinda Ardern addresses Mark Richardson).
  7. Public opinion: Don't ask women about baby plans
    .
    New Zealand Herald
    , 2. August 2017, abgerufen am 2. August 2017 (englisch).
  8. a b c
    Rt Hon Jacinda Ardern
    .
    New Zealand Labour Party
    , abgerufen am 15. Juni 2019 (englisch).
  9. a b c d
    Jacinda Ardern
    .
    New Zealand Parliament
    , 1. August 2017, abgerufen am 1. August 2017 (englisch).
  10. Community. In: The Forum of Young Global Leaders. World Economic Forum, abgerufen am 15. Juni 2019 (englisch).
  11. a b Neuseelands Labour Party zieht die Notbremse. Deutsche Welle, 1. August 2017, abgerufen am 1. August 2017.
  12. Audrey Young
    :
    Helen Clark's advice for new Labour leader Jacinda Ardern
    .
    New Zealand Herald
    , 2. August 2017, abgerufen am 2. August 2017 (englisch).
  13. Laura Walters
    :
    Jacinda Ardern's new government sworn in
    .
    In:
    Stuff - Politics
    .
    Fairfax Media
    , 26. Oktober 2017, abgerufen am 26. Oktober 2017 (englisch).
  14. Till Fähnders: Jung, modern und prinzipienfest In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 18. Oktober 2020. Abgerufen am 21. Oktober 2020
  15. Charlotte Graham-McLay: Jacinda Ardern’s Progressive Politics Made Her a Global Sensation. But Do They Work at Home? In: The New York Times. 26. September 2018, ISSN 0362-4331 (Online [abgerufen am 16. März 2019]).
  16. Ein Erdrutschsieg dank harter Corona-Politik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Oktober 2020, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  17. New Zealand’s Ardern names ‘incredibly diverse’ cabinet, including first Indigenous woman as top diplomat. In: The Washington Post. 2. November 2002, abgerufen am 7. November 2020 (englisch).
  18. Neuseeland: Ardern stellt Kabinett vor. In: Süddeutsche Zeitung. 2. November 2020, abgerufen am 7. November 2020.
  19. Ceri Parker
    :
    New Zealand will have a new 'well-being budget,' says Jacinda Ardern
    .
    World Economic Forum
    , 23. Januar 2019, abgerufen am 15. Juni 2019 (englisch).
  20. a b
    Eleanor Ainge Roy
    :
    New Zealand 'wellbeing' budget promises billions to care for most vulnerable
    .
    In:
    The Guardian
    .
    30. Mai 2019, abgerufen am 15. Juni 2019 (englisch).
  21. Budget Policy Statement 2019 – Executive Summary
    .
    The Treasury
    , 13. Dezember 2018, abgerufen am 15. Juni 2019 (englisch).
  22. Verdächtiger wollte Angriffe fortsetzen. In: Süddeutsche Zeitung. 16. März 2019, ISSN 0174-4917 (Online [abgerufen am 16. März 2019]).
  23. Yassin Musharbash: Der Mörder war ein Mensch – kein Ungeheuer. In: Die Zeit. Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH, 22. März 2019, abgerufen am 16. Juni 2019.
  24. Milena Hassenkamp: Neuseelands Premier Jacinda Ardern: Frau, Mutter, Trösterin - und Macherin. In: Spiegel Online. 18. März 2019 (Online [abgerufen am 17. Juli 2019]).
  25. Felix Haselsteiner: Die richtigen Worte, die richtigen Gesten. In: Süddeutsche Zeitung. 18. März 2019, ISSN 0174-4917 (Online [abgerufen am 17. Juli 2019]).
  26. Das Magazin No 51/51, 21. Dezember 2019, S. 12.
  27. New Zealand Prime Minister Jacinda Ardern lists two years of achievements in viral two-minute video. In: news.com.au, 5. November 2019 (englisch).
  28. Urs Wälterlin: Die Kommunikatorin. Die Tagaeszeitung, 30. Mai 2020, abgerufen am 3. Juni 2020.
  29. Letzte Patientin genesen: Neuseeland erklärt sich coronavirusfrei. In: news.orf.at. ORF, 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020.
  30. Jonathan Pearlman
    :
    Coronavirus update: New Zealand records two new cases of coronavirus, tourists on the move as European nations open borders
    .
    In:
    ABC News
    .
    Australian Broadcasting Corportion
    , 15. Juni 2020, abgerufen am 15. Juni 2020 (englisch).
  31. Neuseeländische Premierministerin Ardern sieht Bedrohung durch China: "Sicherheitslage im Indopazifik hat sich signifikant verändert". In: Presseportal. Die Zeit, abgerufen am 23. Juni 2022.
  32. Stephen A. Trewick: A new species of large Hemiandrus ground wētā (Orthoptera: Anostostomatidae) from North Island, New Zealand Zootaxa 4942 (2): 207–218, März 2021. Doi:10.11646/zootaxa.4942.2.4