Königspfalz

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Zeichnerischer Rekonstruktionsversuch der Aachener Königspfalz

Unter einer Pfalz verstand man im Früh- und Hochmittelalter entstandene (Wohn-)Stützpunkte für den reisenden König (seltener auch für einen Bischof als Territorialherrn, der dem König gegenüber in Gastungspflicht stand).

Etymologie

Das schon im Mittelalter bestehende Wort pfalz stammt über mittelhochdeutsch pfalenze, „fürstliche Wohnung“, von althochdeutsch pfalanza aus volkslateinisch palantia von mittellateinisch palatia (Plural, die gesamten Bauten umspannend) von lateinisch palatium (mittellateinisch für „Palast“).[1]

Der lateinische Begriff palatium (als Haus des Augustus auf dem römischen Hügel Palatin) entstand in später Kaiserzeit für aula regia[2] in Anlehnung an den Palatin, einen der sieben Hügel Roms, auf dem in weiten Teilen der römischen Kaiserzeit der Augustus residierte (Domus Augustana).

Beschreibung

Rekonstruiertes Hauptgebäude der Pfalz von König Heinrich II., heute Museum in der Kaiserpfalz

Der mittelalterliche König des Heiligen Römischen Reichs regierte nicht von einer Hauptstadt aus, sondern musste möglichst „vor Ort“ sein und den persönlichen Kontakt zu seinen Vasallen halten (Reisekönigtum). Da Pfalzen vom König in seiner Eigenschaft als Herrscher des Heiligen Römischen Reichs gebaut und genutzt wurden, ist ihre historisch korrekte Bezeichnung Königspfalz. Die Bezeichnung Kaiserpfalz ist eine Benennung des 19. Jahrhunderts, die übersieht, dass der König erst nach einer Krönung (durch den Papst) den Titel des Römischen Kaisers trug. Im Unterschied zu einer Pfalz, wo der Reisekönig seine herrschaftlichen Aufgaben ausübte, ist ein Königshof lediglich ein Wirtschaftsgut im Besitz des Königs, der nur gelegentlich als Aufenthaltsort für den König auf der Durchreise dient.[3] Der Vorsteher eines Königshofes war Richter, Verwalter und Heerführer auf dem ihm zugewiesenen Gebiet.[4]

Pfalzen bestanden in erster Linie aus großen Gutshöfen, die Verpflegung und Unterkunftsmöglichkeiten für den König und sein zahlreiches Gefolge, das oft hunderte von Personen umfasste, sowie für zahlreiche Gäste und ihre Pferde boten. Auf Lateinisch hießen diese Königshöfe villa regia oder curtis regia. Sie befanden sich entweder bei Bischofssitzen, bei großen Klöstern, bei noch verbliebenen städtischen Resten oder auf freiem Land inmitten von Königsgütern. Pfalzen entstanden zumeist im Abstand von 30 Kilometern, was einer damaligen Tagesreise zu Pferde entsprach.

Eine Pfalz bestand zumindest aus dem Palas, einer Pfalzkapelle und einem Gutshof. Die Könige und Kaiser führten dort Amtshandlungen aus, hielten ihre Hoftage ab und feierten dort hohe kirchliche Feste. Viele Pfalzen ermöglichten auch die Jagd durch ihre Nähe zu Reichswäldern, die als Königsbesitz Bannforste waren.[5]

Die Pfalzen, die die Herrscher besuchten, wechselten je nach deren Ausrichtung. Besonders wichtig waren jene Pfalzen, in denen die Könige den Winter verbrachten (Winterpfalzen), und die Festtagspfalzen, wobei das Osterfest das wichtigste Fest darstellte (Osterpfalzen).

Größere Pfalzen lagen oft in Städten, die Sonderrechte (z. B. Reichsfreiheit) hatten, konnten aber auch Bischofssitze oder Reichsklöster sein.

In der staufischen Epoche des römisch-deutschen Königreichs begannen auch bedeutende Reichsfürsten ihre Machtansprüche durch den Bau eigener Pfalzen zu demonstrieren. Wichtige Beispiele hierfür sind die Burg Dankwarderode Heinrichs des Löwen in Braunschweig und die Wartburg oberhalb von Eisenach. Beide Bauten folgen dem grundlegenden Aufbau staufischer Pfalzen und haben auch deren Ausmaße.

Reisewege

Nach Caspar Ehlers wandelte sich die Itinerarplanung im Lauf des Mittelalters: „Abgesehen davon, dass es Kernlande der Königsherrschaft gab, die sich von Dynastie zu Dynastie, manchmal sogar von einem zum nächsten Herrscher aus demselben Hause verschieben konnten, änderten sich auch die Schauplätze der großen Versammlungen und kirchlichen Festfeiern. Waren die späten Karolinger bis hin zu Konrad I. zumeist im Westen unterwegs, so erhielt Sachsen den Status einer Kernlandschaft unter den Ottonen - was an deren Herkunft aus dieser Region lag. Die Salier versuchten hingegen, neben ihren rheinfränkischen Stammlanden (dem Gebiet um Speyer und Worms) auch den sächsischen Raum in ihr Reisekönigtum zu integrieren, was unter Heinrich III. in Goslar seinen bekanntesten Höhepunkt und unter Heinrich IV. mit den Sachsenaufständen im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts sein spektakuläres Ende fand. Den Staufern schließlich gelang es zunächst, auch den Norden einzubeziehen, doch sind die Konflikte zwischen Barbarossa und Heinrich dem Löwen ein Indikator für weiterhin schwelende Probleme innerhalb des Reiches. Heinrich VI. und Friedrich II. schließlich waren nur noch sporadisch nördlich ihrer schwäbischen Stammlande anzutreffen; eine politische Schwerpunktverschiebung nach Süden bis nach Italien hatte ihr Itinerar entscheidend geprägt. In die staufische Zeit fiel auch die Entwicklung hin zur Hausmachtpolitik, die unter Rudolf von Habsburg, mit dessen Wahl 1272 das Interregnum zu Ende ging, ein entscheidender Faktor königlicher Politik wurde.“[6]

Liste deutscher Königspfalzen

Liste deutscher Königspfalzen in der heutigen Schweiz

Liste fränkischer Königspfalzen im heutigen Frankreich

Liste fränkischer Königspfalzen in den heutigen Niederlanden

Liste fränkischer Königspfalzen im heutigen Belgien

Liste von Königspfalzen im heutigen Österreich

Siehe auch

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

Einführungen, Forschungsgeschichte

  • Adolf Eggers: Der königliche Grundbesitz im 10. und beginnenden 11. Jahrhundert. H. Böhlaus Nachfolger, Weimar 1909.
  • Gottfried Schlag: Die deutschen Kaiserpfalzen, Frankfurt/Main, 1940
  • Walter Hotz: Pfalzen und Burgen der Stauferzeit. Geschichte und Gestalt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-08663-5.
  • Gerhard Streich: Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchungen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen, 2 Bde. Herausgegeben vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte. Thorbecke-Verlag, Sigmaringen 1984, ISBN 3-7995-6689-9.
  • Günther Binding: Deutsche Königspfalzen. Von Karl dem Großen bis Friedrich II. (765–1240). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-12548-7.
  • Alexander Thon: „… ut nostrum regale palatium infra civitatem vel in burgo eorum non hedificent“. Studien zu Relevanz und Gültigkeit des Begriffes „Pfalz“ für die Erforschung von Burgen des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Burgenbau im 13. Jahrhundert. Herausgegeben von der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern in Verbindung mit dem Germanischen Nationalmuseum. (= Forschungen zu Burgen und Schlössern, Band 7). Deutscher Kunstverlag, München 2002, ISBN 3-422-06361-7, S. 45–72.

Die Reihe Deutsche Königspfalzen

  • Max-Planck-Institut für Geschichte (Hrsg.): Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, 8 Bände. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1963–2007; u. a.:
    • Bd. 4: Lutz Fenske (Hrsg.): Pfalzen – Reichsgut – Königshöfe, 1996, ISBN 3-525-35436-3.
    • Bd. 5: Lutz Fenske, Jörg Jarnut (Hrsg.), Guido M. Berndt (Red.): Splendor palatii. Neue Forschungen zu Paderborn und anderen Pfalzen der Karolingerzeit, 2001, ISBN 3-525-35311-1.
    • Bd. 6: Caspar Ehlers, Helmut Flachenecker (Hrsg.): Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie, Architektur, Gottes- und Herrscherlob: Limburg und Speyer, 2005, ISBN 3-525-35309-X.
    • Bd. 7: Caspar Ehlers, Jörg Jarnut, Matthias Wemhoff (Hrsg.): Zentren herrschaftlicher Repräsentation im Hochmittelalter: Geschichte, Architektur und Zeremoniell, 2007, ISBN 3-525-36521-7.
    • Bd. 8: Caspar Ehlers (Hrsg.): Places of Power – Orte der Herrschaft – Lieux du Pouvoir, 2007, ISBN 3-525-35600-5.

Einzelne Regionen und einzelne Pfalzen

  • Paul Grimm: Stand und Aufgaben der archäologischen Pfalzenforschung in den Bezirken Halle und Magdeburg. Akademie-Verlag, Berlin 1961.
  • Alexander Thon: Barbarossaburg, Kaiserpfalz, Königspfalz oder Casimirschloss? Studien zu Relevanz und Gültigkeit des Begriffes „Pfalz“ im Hochmittelalter anhand des Beispiels (Kaisers-)Lautern. In: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische Geschichte und Volkskunde, ISSN 1619-7283, Jg. 1 (2001), S. 109–144.
  • Monika Krücken (Hrsg.): Offensichtlich Verborgen. Die Aachener Pfalz im Fokus der Forschung. Geymüller Verlag | Architektur, Aachen 2016, ISBN 978-3-943164-16-9.
  • Walter Hotz: Kaiserpfalzen und Ritterburgen in Franken und Thüringen, Berlin, 1940

Handbuchartikel

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag Pfalz in Duden online.
  2. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 541 (Pfalz) und 528 (Palast).
  3. Michael Gockel: Karolingische Königshöfe am Mittelrhein. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970.
  4. Max Döllner: Entwicklungsgeschichte der Stadt Neustadt an der Aisch bis 1933. Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a.d. Aisch 1950. (Neuauflage 1978 anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Verlag Ph. C. W. Schmidt Neustadt an der Aisch 1828–1978.) S. 292 f.
  5. So lag die Aachener Königspfalz in der Nähe von Eifel und Ardennen, die Kaiserpfalz Goslar am Harz, die Pfalz Nimwegen am Klever Reichswald, die Kaiserpfalz Kaiserswerth am Kalkumer Reichswald, die Kaiserpfalz Kaiserslautern am Pfälzer Reichswald, die Kaiserpfalz Hagenau am Hagenauer Reichswald, die Kaiserburg Nürnberg nahe dem Nürnberger Reichswald, die Kaiserpfalz Gelnhausen am Büdinger Reichswald, die Königspfalz Frankfurt unweit des Wildbanns Dreieich, die Pfalz Seligenstadt gegenüber dem Bannforst Spessart.
  6. Caspar Ehlers: Das Repertorium der deutschen Königspfalzen, in: Burgen und Schlösser 4/2017, S. 250f.
  7. Die Geschichte von Kraisdorf
  8. Hansmartin Schwarzmaier: Die Reginswindis-Tradition von Lauffen. Königliche Politik und adelige Herrschaft am mittleren Neckar. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins/N.F. Band 131, 1983, ISSN 0044-2607 (archive.org [PDF; 2,6 MB; abgerufen am 21. Februar 2014]).
  9. Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde
  10. Ortsteil Stallbaum
  11. Augustin Thierry Die Könige und Königinnen der Merowinger Bis zu seinem Tod im Jahr 561 war Braine die Lieblingskönigspfalz von Chlothar I.
  12. Babenbergerpfalz am Hof