Produktivität

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Produktivität ist eine wirtschaftswissenschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis zwischen produzierten Gütern/Dienstleistungen und den dafür benötigten Produktionsfaktoren beschreibt.

Allgemeines

Die Wirtschaftssubjekte (Privathaushalte, Unternehmen und der Staat mit seinen Untergliederungen wie öffentliche Verwaltung, Staatsunternehmen, Kommunalunternehmen) sind gehalten, mit knappen Ressourcen rational umzugehen (Rationalprinzip). Dazu gehört auch die Produktivität als die Summe von produktiven Maßnahmen der Wirtschaftssubjekte und deren Verhaltensmustern, in der Regel bezogen auf ein System oder einen Produktionsprozess mit Produktionsfaktoren und Produkten. Gemessen am Rationalprinzip ist alles als produktiv einzustufen, bei dem die eingesetzten Ressourcen in einem günstigen Verhältnis zur erzielten Wirkung stehen.[1] Produktivität ist begrifflich eng verwandt mit der Konstruktivität und dem Gegenteil der Destruktivität.

Wirtschaftswissenschaftliche Definitionen

In der Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre[2] wird unter Produktivität eine volkswirtschaftliche oder betriebswirtschaftliche Kennzahl verstanden, die das (Mengen-)Verhältnis zwischen dem, was produziert wird (englisch Output), und den dafür beim Produktionsprozess eingesetzten Mitteln (Produktionsfaktoren, englisch Input) wiedergibt.[3]

Zu ihrer Erfüllung kann entweder mit einem möglichst geringen Input ein gegebener Output (Minimalprinzip) oder mit einem gegebenen Input ein möglichst großer Output (Maximalprinzip) erreicht werden. Damit ist die Produktivität auch eine spezifische Ausprägung des Rationalprinzips. Die Einhaltung der Produktivität als Verhaltensmaxime ermöglicht auch die Erfüllung des Ziels der Gewinnmaximierung oder der Nutzenmaximierung. Zwischen diesen Zielen besteht somit Zielharmonie.

Unterschied zwischen Produktivität und Wirtschaftlichkeit

Während sich die Produktivität mit der Gegenüberstellung von Output und Input befasst, setzt die Wirtschaftlichkeit Kosten/Aufwand zu Ertrag/Erlös miteinander in Beziehung. Der Wirtschaftlichkeit liegen mithin wertmäßige Größen zugrunde, der Produktivität dagegen mengenmäßige.

Ermittlung

Die Gesamtproduktivität in Unternehmen wird anhand folgender Formel ermittelt:[4]

Dabei wird der Output als Menge pro Zeiteinheit angegeben (Ausbringungsmenge), also als eine Stromgröße betrachtet. Der Input kann auch eine Stromgröße sein, beispielsweise die Anzahl der Arbeitsstunden in einem Jahr (Arbeitszeit) oder Abschreibungen in einem Jahr. Er kann auch eine Bestandsgröße sein, beispielsweise durchschnittliche Anzahl der Erwerbstätigen in einem Jahr oder durchschnittlicher Kapitalstock eines Jahres.

Da die erzeugten Güter/Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art sind und sich die Zusammensetzung der Produktion nach verschiedenen Gütern im Zeitablauf auch noch verändern kann, ist es notwendig, die verschiedenen Güter mit Preisen zu bewerten, um den Gesamtoutput als eindimensionale Größe angeben zu können. Hierzu werden die Güter zu Marktpreisen bewertet, sofern solche existieren. Güter, für die es keine Marktpreise gibt, werden zu Herstellungskosten bewertet. Des Weiteren werden beim Output reine Preisveränderungen mit Hilfe von Preisbereinigungsverfahren herausgerechnet. Eine Methode ist etwa das Rechnen in konstanten Preisen eines Basisjahres.

Das gleiche Bewertungsproblem ergibt sich auch bei dem Produktionsfaktor Kapital, da sich der Kapitalstock aus verschiedenen Gütern zusammensetzt. Beim Produktionsfaktor Arbeit wird dagegen auf die physischen Mengen wie Anzahl der Erwerbstätigen oder Anzahl der Arbeitsstunden zurückgegriffen.

Die Produktivität lässt sich nach den unterschiedlichen Produktionsfaktoren untergliedern:

Faktorproduktivität

Bei der Ermittlung der Faktorproduktivität wird die Menge der erzeugten Güter ins Verhältnis zur Einsatzmenge eines Faktors gesetzt.

Diese so statistisch gemessenen Produktivitäten kann man nicht ursächlich in dem Sinne verstehen, dass etwa eine steigende Arbeitsproduktivität zeigt, dass die Arbeiter „fleißiger“ werden und dass sinkende Kapitalproduktivität zeigt, dass das Kapital immer weniger bringt. Vielmehr ist steigende Arbeitsproduktivität Folge davon, dass je Arbeiter immer mehr „Kapital“, gemeint sind eigentlich Produktionsmittel, eingesetzt werden. Typischerweise steigt deshalb langfristig die Arbeitsproduktivität, während die „Kapital“-Produktivität stagniert oder gar zurückgeht.

In der neoklassischen Theorie gilt die Annahme, dass die Produktionsfaktoren gemäß ihrer Produktivität entlohnt werden – was nicht heißt, dass dieses auch in der Praxis geschieht. Gründe hierfür können in Marktfehlern und Externalitäten liegen. Mit Hilfe der statistisch gemessenen Produktivitäten kann überprüft werden, ob dieses der Fall ist.

Arbeitsproduktivität

Die bekannteste und meistbenutzte Faktorproduktivität ist die Arbeitsproduktivität. Dieses liegt vorwiegend daran, dass die Menge an eingesetzter Arbeit leichter zu ermitteln ist als etwa die Abnutzung oder der Bestand des eingesetzten Kapitals, also von Maschinen, Gebäuden und (bei gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsbetrachtungen) Infrastruktureinrichtungen.

Die volkswirtschaftliche Formel für die Arbeitsproduktivität je Arbeitsstunde lautet:

wobei das reale Bruttoinlandsprodukt, die Anzahl Erwerbstätiger und die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen ist (siehe Entwicklung der Arbeitsproduktivität).

Die volkswirtschaftliche Formel für die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen lautet:

oder

Die betriebswirtschaftliche Stundenleistung ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Absatzvolumen und geleisteten Arbeitsstunden:

.

Erhöht sich bei konstanten Arbeitsstunden das Absatzvolumen, hat sich die produktive Stundenleistung verbessert und umgekehrt.


Dieser Wert gibt an, wie der Gesamtumsatz pro Mitarbeiter sich darstellt, also wie viel im Durchschnitt der einzelne Mitarbeiter zum Gesamtumsatz beigetragen hat. In Deutschland liegt der Durchschnitt dieses Wertes ungefähr bei 50.000 bis 70.000 Euro pro Mitarbeiter.

Kapitalproduktivität

Das Statistische Bundesamt weist eine Kapitalproduktivität aus, indem es das Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen (zuletzt des Jahres 1995) ins Verhältnis setzt zum Kapitalstock. Letzterer ist das Bruttoanlagevermögen ebenfalls berechnet in konstanten Preisen.

Die Addition von verschiedenen Kapitalarten zu einem Gesamtkapitalstock beruht auf zweifelhaften Annahmen, die im Zuge der Kapitalkontroverse kritisiert wurden.

Empirische Befunde

OECD-Wirtschaftsdaten grafisch dargestellt

Laut OECD, Economic Outlook No. 77, Juni 2005 ergibt sich folgendes:

In den OECD-Ländern, also in etwa den Industrieländern, ist die potentielle Produktion (Produktion bei normaler Auslastung des Kapitalstocks) jahresdurchschnittlich von 1983 bis 1992 um 2,9 % gestiegen. Dieses verlangsamte sich etwas auf jahresdurchschnittlich 2,6 % 1993 bis 2002.

Die Beschäftigung wuchs in diesen angegebenen Zeiträumen jahresdurchschnittlich 2,4 % und 1,1 %. Der Beschäftigungszuwachs hat sich also in der OECD verlangsamt.

Für die Arbeitsproduktivität ergibt sich daraus ungefähr ein Wachstum von 0,5 % im ersten und 1,5 % im zweiten Zeitabschnitt. Das Arbeitsproduktivitätswachstum hat sich demnach beschleunigt.

Der Kapitalstock wuchs um 3,7 % bzw. um 3,1 % jahresdurchschnittlich, also rascher als die Produktion. Die Kapitalproduktivität hat sich demnach vermindert, jahresdurchschnittlich um 0,8 % 1983 bis 1993 und um 0,5 % 1993 bis 2002.

In aller Regel nimmt die Arbeitsproduktivität mittel- und langfristig zu, während die Kapitalproduktivität eher sinkt wie hier in den OECD-Ländern. Eine bemerkenswerte Ausnahme sind die USA, für welche die OECD ein Wachstum der Kapitalproduktivität 1983 bis 1992 von jahresdurchschnittlich 0,1 % und von 1993 bis 2002 von ebenfalls 0,1 % angibt.

Eine langfristig sinkende Kapitalproduktivität ist problematisch, da dieses bedeutet, dass langfristig die gesamtwirtschaftliche Kapitalrentabilität (Kapitaleinkommen im Verhältnis zum Kapitalstock) nur gehalten werden kann, wenn der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP verkleinert wird, wobei dieses natürlich spätestens dann ein Ende hätte, wenn diese Lohnquote den Wert null erreicht hätte.

Grenzproduktivität

Volks- und betriebswirtschaftlich interessant ist neben der bisher betrachteten Durchschnittsproduktivität der Faktoren auch ihre Grenzproduktivität:

Diese gibt an, um wie viel sich der Output erhöht, wenn der Faktoreinsatz um eine Einheit steigt, bei Konstanz der anderen Faktoren. Die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit kann z. B. daran gemessen werden, um welchen Betrag der Output wächst, wenn eine zusätzliche Arbeitsstunde geleistet wird. Grenzproduktivitäten sind von besonderem Interesse, weil sie – laut Theorie – auf vollkommenen Faktormärkten den Marktpreis für den Faktor bestimmen. In der Regel nach der Wertgrenzproduktivität: . Und im Optimum gilt, dass WGP entspricht dem Faktorpreis (zur Ermittlung der Optimalen Faktoreinsatzmenge).

In den meisten Fällen geht man von einer positiven, aber abnehmenden Grenzproduktivität aus, d. h. bei einer Erhöhung des Inputs wird der Output ansteigen. Die Höhe des Anstiegs wird aber mit steigendem Ausgangsniveau des Inputs geringer (vgl. Ertragsgesetz).

Mathematisch kann die Grenzproduktivität eines Faktors als partielle Ableitung der Produktionsfunktion nach diesem Faktor ermittelt werden.

Totale Faktorproduktivität

Empirisch lässt sich beobachten, dass das Wachstum des Outputs Y sich nicht nur aus dem Wachstum der Inputs Arbeit A und Kapital K erklären lässt, sondern dass sozusagen ein unerklärlicher Rest übrig bleibt. Dieser Teil der Wachstumsrate von Y, der nicht durch Veränderungen in den Einsatzmengen von A oder K erklärt werden kann, wird als totale Faktorproduktivität bezeichnet. Sie kann als Maß für den technischen Fortschritt gedeutet werden, der unabhängig vom Einsatz der Produktionsfaktoren für ein Wachstum des Outputs Y sorgt.

Empirische Befunde

In einer Studie wurde die Bedeutung von verschiedenen Standortfaktoren für die totale Faktorproduktivität einer Region untersucht anhand der Daten von 257 Regionen der EU.[5] Für die Analyse wurden potentiell beeinflussende Eigenschaften der Regionen berücksichtigt wie z. B. der Spezialisierungsgrad im Bereich verarbeitendes Gewerbe, Siedlungsstruktur, Populationsdichte und das wirtschaftliche Entwicklungslevel der Region. Den stärksten positiven Einfluss auf die Totale Faktorproduktivität einer Region hatten (in absteigender Reihenfolge):

  1. der Anteil der Berufstätigen mit Studienabschluss in kreativen Berufsfeldern (z. B. Natur- und Sozialwissenschaften, Life Science und Gesundheit, Lehrer, Ingenieurwesen …),
  2. die Anzahl der angemeldeten Patente je tausend Einwohner (als Maß für das technologische Kapital) und
  3. die kulturelle Diversität.

Einen negativen Einfluss hatten der Spezialisierungsgrad des verarbeitenden Gewerbes und die Jahresdurchschnittstemperatur.

Entwicklung der Arbeitsproduktivität

Oben ist die Gleichung der Arbeitsproduktivität angegeben:

Die absoluten Zahlen der Arbeitsproduktivität sind oft weniger aussagefähig als die Entwicklung der Arbeitsproduktivität bezogen auf ein Basisjahr. Dazu wird die vorstehende Gleichung für beliebige Jahre durch ein Basisjahr dividiert:

Die verwendeten Daten werden vom deutschen Statistischen Bundesamt herausgegeben und sind in der WP unter den Stichworten BIP und Arbeitsvolumen (abgekürzt AV) zu finden. Zusätzlich ist auch die jährliche Steigerung der Arbeitsproduktivität () angegeben.

relative Arbeitsproduktivität in Deutschland zum Basisjahr 1995
Jahr AV
  Basis Basis Mio. h Basis Basis %
  1960 1995   1995 1995  
             
1950            
1951 0,49 0,16        
1952 0,53 0,18        
1953 0,59 0,20        
1954 0,64 0,21        
1955 0,69 0,23        
1956 0,77 0,26        
1957 0,83 0,28        
1958 0,88 0,30        
1959 0,92 0,31        
1960 1,00 0,34   1,22 0,28  
1961 1,04 0,35 56470 1,22 0,29 3,83
1962 1,09 0,37 55690 1,20 0,30 6,27
1963 1,12 0,38 55020 1,19 0,32 4,00
1964 1,2  0,41 55371 1,20 0,34 6,46
1965 1,26 0,43 55329 1,20 0,36 5,07
1966 1,3  0,44 54483 1,18 0,37 4,77
1967 1,29 0,44 51764 1,12 0,39 4,44
1968 1,36 0,46 51507 1,11 0,41 5,95
1969 1,46 0,50 51812 1,12 0,44 6,72
1970 1,58 0,54 52075 1,13 0,47 7,67
1971 1,63 0,56 51428 1,11 0,50 4,46
1972 1,7  0,58 51029 1,10 0,52 5,10
1973 1,78 0,61 50800 1,10 0,55 5,17
1974 1,79 0,61 49402 1,07 0,57 3,40
1975 1,77 0,60 47122 1,02 0,59 3,66
1976 1,86 0,63 47271 1,02 0,62 4,75
1977 1,91 0,65 46959 1,02 0,64 3,37
1978 1,97 0,67 46837 1,01 0,66 3,41
1979 2,05 0,70 47368 1,02 0,68 2,89
1980 2,08 0,71 47611 1,03 0,69 0,94
1981 2,08 0,71 47047 1,02 0,69 1,19
1982 2,07 0,71 46268 1,00 0,70 1,19
1983 2,1  0,72 45572 0,99 0,72 2,99
1984 2,16 0,74 45642 0,99 0,74 2,69
1985 2,2  0,75 45663 0,99 0,76 1,80
1986 2,26 0,77 46003 0,99 0,77 1,96
1987 2,29 0,78 45988 0,99 0,78 1,36
1988 2,38 0,81 46474 1,00 0,80 2,84
1989 2,47 0,84 46645 1,01 0,83 3,40
1990 2,61 0,89 47412 1,03 0,87 3,95
1991 2,75 0,94 47990 1,04 0,90 4,09
1992 2,81 0,96 48140 1,04 0,92 1,86
1993 2,78 0,95 46773 1,01 0,94 1,82
1994 2,86 0,98 46438 1,00 0,97 3,61
1995 2,91 1,00 46025 1,00 1,00 2,66
1996 2,94 1,01 45455 0,98 1,02 2,29
1997 2,99 1,02 45365 0,98 1,04 1,90
1998 3,06 1,05 45744 0,99 1,05 1,49
1999 3,12 1,07 46096 1,00 1,07 1,18
2000 3,22 1,10 46691 1,01 1,09 1,88
2001 3,26 1,12 46715 1,01 1,10 1,19
2002 3,26 1,12 46225 1,00 1,11 1,06
2003 3,25 1,11 45909 0,99 1,11 0,37
2004 3,29 1,13 46129 1,00 1,12 0,74
2005 3,32 1,14        
Anmerkung:

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Weber, Rentabilität, Produktivität und Liquidität: Größen zur Beurteilung und Steuerung von Unternehmen, 1998, S. 87
  2. Hans Corsten, Produktionswirtschaft, 6. Auflage, 1996, S. 46 f.
  3. REFA – Methodenlehre des Arbeitsstudiums, Teil 1 „Grundlagen“. Carl Hanser, München 1971, ISBN 3-446-14234-7, S. 43 ff.
  4. Helmut Weber, Rentabilität, Produktivität und Liquidität: Größen zur Beurteilung und Steuerung von Unternehmen, 1998, S. 89 f.
  5. Emanuela Marrocu, Raffaele Paci: Education or Creativity: What Matters Most for Economic Performance? In: Economic Geography. Band 88, Nr. 4, Oktober 2012, S. 369–401, doi:10.1111/j.1944-8287.2012.01161.x (wiley.com [abgerufen am 19. Juni 2019]).