Social Design

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Mit dem nicht einheitlich verwendeten Begriff Social Design werden seit den 2000er Jahren Konzepte und Projekte von Designern, Architekten, Unternehmen und Aktivisten bezeichnet, welche das Gemeinwohl, Partizipation, Demokratie und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen. Jede Designpraxis steht zwar in einem gesellschaftlichen Kontext und kann damit im weitesten Sinn als „sozial“ verstanden werden, kennzeichnend und konstitutiv für Social Design Projekte sind jedoch partizipative und demokratische bottom-up Prozesse, die auf Empowerment der Beteiligten ausgerichtet sind. Social Design umfasst eine breite Palette von Projekten, Methoden, politischen Aktionen[1] und Studiengängen zur ästhetischen und ethischen Gestaltung von sozialen Dingwelten, sozialen Innovationen und urbanen Räumen.[2][3] Social Design versteht sich als „Design mit Gewissen“ und als Katalysator für einen positiven sozialen Wandel insbesondere in einem von sozialer Ungleichheit geprägten städtischen Umfeld.[4]

Die Evolution des Social Design

Vorgeschichte

Die Anfänge des Social Design avant la lettre – verstanden als Design für und mit der Gesellschaft – liegen in den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Krisen, die durch die Industrielle Revolution ausgelöst wurden.[5] Frühe Vertreter des „socially responsible Design“ sind William Morris und John Ruskin.

Anfang des 20. Jahrhunderts stehen der Deutsche Werkbund und später das von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründete Bauhaus für sozial verantwortliche Gestaltung. Insbesondere Hannes Meyer[6][7], Ernst May, Margarete Schütte-Lihotzky, Leberecht Migge und Ferdinand Kramer hoben die soziale Verantwortung von Gestaltern, Städtebauern und Architekten in ihrer gestalterischen Praxis hervor. In den 1950er Jahren setzte die Hochschule für Gestaltung Ulm diese Tradition fort.

Für das amerikanischen Designerehepaar Charles und Ray Eames besteht die Kernkompetenz von Designern in der Fähigkeit, im Zusammenhang mit einem Gestaltungsproblem so viele Zwänge (constraints) wie möglich zu erkennen und in der Bereitschaft und dem Enthusiasmus, innerhalb dieser Zwänge (Kosten, Zeit, Material etc.) zielorientiert zu arbeiten.[8]

Der amerikanische Nobelpreisträger Herbert A. Simon fordert im Hinblick auf die zunehmende Fähigkeit des Menschen die Welt zu verändern, die Entwicklung eines wissenschaftlichen Verständnisses für die vom Menschen geschaffenen "künstlichen Welten":[9]

„Jeder entwirft, der Handlungsweisen entwickelt, die darauf abzielen, bestehende Situationen in bevorzugte Situationen zu verwandeln.“

Herbert A. Simon: The Sciences of the Artificial, 1969, p. 55.

Die 1960er und 1970er Jahre

10 Properties of Wicked Problems

Der Designtheoretiker Horst Rittel untersuchte seit Mitte der 1960er Jahre gemeinsam mit Melvin Webber Planungs- und Gestaltungsprozesse und kam zu dem Schluss, dass soziale und gesellschaftliche Planungsprobleme in einer offenen Gesellschaft weder definitiv formuliert werden können noch eindeutig und endgültig lösbar sind. Diese "wicked problems"[10] erfordern nach Rittel einen transdisziplinären, iterativen Lernprozess, der – eingebettet in einen organisatorischen Rahmen – wiederholt Varietät erzeugt und reduziert. Nach Wolfgang Jonas kann Rittel damit als Vordenker des Social Transformation Design angesehen werden "ohne dabei der Sozialromantik und Sozialarbeiterattitüde engagierter Designer zu verfallen und ohne die methodischen Ansätze des individualisierten Human-centered Design unkritisch auf soziale Probleme zu übertragen".[11]

Der amerikanische Architekt, Philosoph und Designer Buckminster Fuller thematisierte als einer der Ersten in den 1960er Jahren die Zusammenhänge zwischen Energieeffizienz, Gebäudekonzepten und nachhaltiger Entwicklung im planetarischen Kontext eines „Raumschiff Erde“.

In den 1970er Jahren traten globale ökologische, ökonomische und soziale Krisen immer stärker ins öffentliche Bewusstsein. Die Grenzen des Wachstums wurden mit der Ölpreiskrise von 1973 deutlich sichtbar. Designer, Künstler und Aktivisten wie Enzo Mari[12], Joseph Beuys und Stewart Brand thematisierten aus unterschiedlichen Perspektiven ökologische und soziale Aspekte der Konsumgesellschaft (Do it yourself, Soziale Plastik, Selbstversorgung) und propagierten Eigenverantwortung, gesellschaftlichen Dialog und Partizipation. Der österreichisch-amerikanische Designer Victor Papanek begründete mit seinem 1971 veröffentlichten kritisch-polemischen Buch Design for the Real World: Human Ecology and Social Change maßgeblich den bis heute geltenden Einfluss des Social Design im Design Thinking.

Die 1980er und 1990er Jahre

In den 1980er Jahren wurden von Designern in den wohlhabenden westlichen Industrieländern ökologische und soziale Kriterien zwar zunehmend zur Kenntnis genommen und diskutiert, eine grundlegende Neuausrichtung der absatzorientierten Produktion und des konsumorientierten Lebensstils hin zur Kreislaufwirtschaft erfolgte jedoch nicht. In den 1990er Jahren wurde dann mehr und mehr deutlich, dass ein schlichtes „re-design of what exists“ nicht ausreichen würde, um die sich zuspitzenden globalen ökologischen, ökonomischen und sozialen Krisen nachhaltig lösen zu können.[13]

Seit dem Jahr 2000

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts, insbesondere seit der Weltfinanzkrise ab 2007, hat sich der globale Diskurs zur gesellschaftlichen Verantwortung des Designs in der Designforschung, in der Designpraxis und in der Öffentlichkeit wieder intensiviert.

Der Designforscher Markus Frenzl forderte 2020 in einer Replik auf den Architekturkritiker Niklas Maak einen tiefergehenderen inhaltlichen Diskurs in den Medien über die Rolle von Design als gesellschaftsprägende Disziplin.[14][15]

Die von dem französischen Soziologen und Philosophen Bruno Latour entwickelte Akteur-Netzwerk-Theorie, welche menschengemachten Dingen und Strukturen eine zentrale Rolle bei der Konstitution von Gesellschaft zuweist, wird zunehmend auch im Rahmen von Architektur- und Design-Diskursen rezipiert.[16][17][18][19]

Social Design und Public Art

Die Abgrenzung von Projekten des Social Design zu politischen Aktionen von sozial engagierten Künstlern im öffentlichen Raum fällt dabei nicht immer leicht, wie auch das Beispiel der 2010 in London gegründeten Gruppe Assemble – die 2015 für das Projekt Granby Four Streets[20] mit dem Turner Prize ausgezeichnet wurde – zeigt.[21][22][23][24] Auch das kuratorische Konzept des mit der künstlerischen Leitung der documenta fifteen beauftragten indonesischen Kollektivs Ruangrupa zielt, ähnlich wie Social Design Projekte, auf Aktivierung, gemeinsame Ressourcennutzung und Empowerment.[25]

Social Design und Sozialarbeit

In 2002 schlagen die Designtheoretiker Victor Margolin und Sylvia Margolin ein „Social Model“ für Designpraxis und -forschung vor, das sich stärker an den Grundbedürfnissen benachteiligter oder behinderter Menschen ausrichtet. Designer sollten gemeinsam mit Experten aus den Bereichen der Sozialarbeit Lösungen für soziale Probleme entwickeln.[26]

Social Design und Social Entrepreneurship

Social Design Praktiken und Konzepte werden auch in unternehmerischen und sozialwirtschaftlichen Kontexten als Motor für systemische Veränderungen und soziale Innovationen eingesetzt. Beispiele sind das Sozialunternehmen "Social Impact", IKEA Social Entrepreneurship[27] und die Schwab Foundation for Social Entrepreneurship.

Social Design und nachhaltige Entwicklung

Die norwegische Stiftung Design and Architecture Norway (DOGA) hat mit dem Oslo Manifest[28][29] im Jahr 2016 Designer und Architekten weltweit dazu aufgerufen, sich in ihrem Handeln auf die von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 beschlossenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verpflichten.

Der deutsche Wissenschaftsrat stellte 2015 in einem Positionspapier fest, dass die durch hohe Komplexität, Vernetztheit, Zielpluralität und Unschärfe gekennzeichneten "Großen gesellschaftlichen Herausforderungen" wie der Klimawandel auch die Entwicklung von sozialen Innovationen erfordert, die von einem umfassenderen Begriff des Gemeinwohls ausgehen.[30]

Für das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat Design das Potential, funktionale, materiale und ökologische Aspekte mit sozialen Dimensionen und Praktiken anhand neuer Lösungen für nachhaltige, suffiziente Produkt- und Dienstleistungsarrangements zu verbinden.[31]

2018 stellt der Anthropologe Arturo Escobar die Vision eines „autonomen Designs“ vor, die kollaborative und ortsbezogene Ansätze anstrebt. Escobar sieht die Prinzipien des autonomen Designs als Teil der Bemühungen um Dekolonisation.[32]

Die 2020 von der Europäischen Kommission ergriffene klima- und kulturpolitische Initiative Neues Europäisches Bauhaus stellt Projekte des Social Design in den Kontext des European Green Deal. Der maßgeblich an dieser Initiative beteiligte Klimafolgenforscher Hans Joachim Schellnhuber sieht die gebaute Umwelt „als Elefant im Nachhaltigkeitsraum“ und Social Design als Instrument zur Gestaltung des Lebensraums in einem dynamisch sich fortentwickelnden Prozess der „großen grünen Wiederverflechtung“.[33]

Social Design, Demokratie und Digitale Gesellschaft

Der Schweizer Designhistoriker Beat Schneider stellt Design in eine aufklärerische Tradition, welche Demokratisierung von Wissen im Blick hat. Design könne als Orientierungsdisziplin dazu dienen, komplexe gesellschaftliche und politische Zusammenhänge verständlich zu machen.[34]

Die weltweite digitale Transformation von Gesellschaften hat tiefgreifende Veränderungen im Alltag (Digital Lifestyle) und Ungleichheiten (Digitale Kluft)[35] zur Folge, die vielfältige Ansatzpunkte für bürgerschaftlichen Engagement und für Social Design Projekte (Linux4Afrika, One Laptop per Child, Youvo.org) boten und bieten.[36]

In Deutschland fördert der Prototype Fund seit 2016 die Entwicklung von Public-Interest-Technologien und digital-sozialen Innovationen.

Im März 2022 hat der Deutsche Designer Club in Frankfurt am Main einen vom Rat für Formgebung unterstützten Konvent für Demokratisches Design veranstaltet.[37][38][39][40][41] Hintergrund der Veranstaltung war die Bewerbung der Region FrankfurtRheinMain um den Titel „World Design Capital 2026“ unter dem Motto „Design for Democracy. Atmospheres for a better Life“. Teilnehmer waren unter anderem der Ausstellungsmacher und Kurator Matthias Wagner K, der Sozialpsychologe und Publizist Harald Welzer, die Designerin Uli Mayer-Johanssen, der Unternehmensberater Armand Zorn, die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff und der Pädagoge Meron Mendel.

Die Jahreskonferenz 2022 des Weizenbaum Instituts für die vernetzte Gesellschaft, Practicing Sovereignty. Interventions for open digital futures, thematisiert Social Design im Kontext von Datafizierung und Demokratie.[42][43]

Ausstellungen/Projekte/Veranstaltungen (Auswahl)

Neben einer Vielzahl von theoretischen Artikeln (siehe Abschnitte Literatur und Weblinks) thematisierten seit der Jahrhundertwende auch eine Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen konkrete Projekte im Bereich Social Design.

Social Impact Design (New York 2007 bis 2016)

Im Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum in New York fand 2007 die von Cynthia E. Smith kuratierte Ausstellung Design for the other 90% statt. Die Ausstellung stellte mehr als dreißig Projekte vor, die kostengünstige Design-Lösungen für Alltagsprobleme der unterprivilegierten Mehrheit der Menschheit bieten.[44] 2011 folgte die Ausstellung Design with the Other 90%: Cities, die Projekte in den durch massive Migration weltweit entstandenen, überfüllten informellen Siedlungen am Rand von Städten vorstellte.[45] 2016 analysierte die Ausstellung By the People: Designing a Better America wie Designprojekte aktiv Probleme von Armut und sozialer Ungleichheit in den USA und deren Nachbarstaaten angehen.[46]

Utrecht Manifest – Biennale für Social Design (Utrecht 2005 bis 2015)

Im Centraal Museum Utrecht fanden 5 Biennalen für Social Design statt: 2005, 2007, 2009, 2011 und 2015.[47] Im Juni 2015 wurde von der organisierenden Stiftung das Utrecht Manifest veröffentlicht, das aus zehn Grundprinzipien für „socially responsible design“ besteht: (1) engage with society, (2) design socially, (3) act sustainably, (4) connect ethics and aesthetics, (5) aim for commitment, (6) be critical, (7) be transparent, (8) be supportive and modest, (9) be persistently radical und (10) take responsibility together.[48]

Einflussreich war insbesondere die von Claudia Banz in 2009 kuratierte Biennale Unresolved Matters. Social Utopias Revisited.[49] Ausgangspunkt war das utopische Potenzial der Moderne, das dank De Stijl deutliche physische und mentale Spuren in Utrecht hinterlassen hat. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die soziale Komponente der Moderne – im Gegensatz zu der stilistischen – heute Gestalt annehmen kann. Mit der Ausstellung Unresolved Matters präsentierte Utrecht Manifest nicht nur eine historische oder zeitgenössische Vision des Sozialen, sondern stellte auch die Frage, warum die ausgestellten Objekte als beispielhaft für eine bestimmte soziale Vision gelten. Unresolved Matters zeigte drei einflussreiche Visionen von idealen Lebensräumen und die Rolle von Künstlern, Designern und Architekten. Unter anderem mit Multiples von Joseph Beuys, Papierkleidern von El Anatsui, Radios aus den 1940er und 1970er Jahren, Glasdesigns von A.D. Copier und Wilhelm Wagenfeld. Unresolved Matters bezog sich auf Publikationen von Victor Papanek, Sir Ebenezer Howard und Siegfried Giedion, die verschiedene Visionen, Utopien und alternative Szenarien sowie ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Menschen und ihr Lebensumfeld aufzeigten. So wurden unterschiedliche Herangehensweisen an die komplexen Zusammenhänge im Grenzbereich von Architektur, Stadtplanung, Kunst, Film, Werbung und Archiv zusammengebracht. Sozial engagierte Designer setzten sich intensiv mit der Welt um sie herum auseinander. Diese Beziehung endete nicht bei der Gestaltung von Produkten, sondern umfasste auch gesellschaftspolitische Themen wie Gesundheit, Bildung, Umwelt und sozial sinnvolle Kommunikation.[50][51]

Democratic Design – IKEA (München 2009)

Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigte 2009 unter dem Titel Democratic Design – IKEA eine Ausstellung mit IKEA-Objekten.[52][53][54] In einer Rezension der Ausstellung in Kunstforum International wird das „democratic design“ von IKEA in den Kontext der programmatischen Ideen der schwedischen Frauenrechtlerin und Reformpädagogin Ellen Key sowie in die Entwicklung Schwedens zu einem modernen, egalitären, sozial- und familienorientierten Staat gestellt.[55]

Werkzeuge für die Design Revolution (Wien 2012)

Die Ausstellung Werkzeuge für die Design Revolution im Designforum Wien sollte anhand von Pilotprojekten zeigen, dass Design eine tragende Rolle bei der zukunftsfähigen Umformung der Gesellschaft spielt. Der Paradigmenwechsel im Verständnis der Designdisziplin beinhalte das Loslösen von tradierten Produkt- und Designvorstellungen in den Lebensbereichen Mobilität, Ernährung und Wohnen. Die Pilotprojekte knüpften an die Alltagsrealität der Besucher an und luden zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit und der eigenen Konsumkultur ein.[56][57]

Social Design: Geschichte, Praxis, Perspektiven (Hamburg 2014)

Das Thema Social Design stand im Mittelpunkt der Jahrestagung der Gesellschaft für Designgeschichte, die im Mai 2014 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg stattfand.[58] Die Beiträge der Tagung behandelten Geschichte, Theorie und Praxis des Social Design.[59]

Social Design (Zürich 2018, Hamburg 2019)

Im Museum für Gestaltung Zürich, Toni-Areal, fand 2018 die von Angeli Sachs[60] kuratierte Ausstellung Social Design statt, die 2019 auch im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg gezeigt wurde.[61][62] Die Ausstellung thematisiert Design als einen gleichberechtigten Austausch zwischen Individuen, Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft vor dem Hintergrund zunehmender Ungleichheiten in einer global agierenden Wachstumsökonomie.[63] Aus den Bereichen Urbaner Raum und Landschaft, Wohnen, Bildung, Arbeit, Produktion, Migration, Netzwerke und Umwelt wurden 25 internationale und regionale Fallbeispiele vorgestellt – darunter das Lycée Schorge[64] von Kéré Architecture, die Fahne des Refugee Olympic Team von Yara Said,[65] der Safir-Wasserfilter[66] und der Solarkiosk[67] von GRAFT. Auf Basis gleichberechtigter Teilhabe wurden Neugestaltungen von Arbeits- und Lebensumgebungen vorgestellt.[68]

Victor Papanek: The Politics of Design (Weil am Rhein 2018, Barcelona 2020)

Im Vitra Design Museum fand 2018 die von Mateo Kries, Amelie Klein und Alison J Clarke kuratierte Ausstellung Victor Papanek: The Politics of Design statt, die in 2020 auch im Barcelona Design Museum gezeigt wurde.[69][70][71] Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Victor J. Papanek Foundation an der Universität für angewandte Kunst Wien.

Social Design und Transformationsdesign (Braunschweig 2020)

Im Braunschweigischen Landesmuseum fand 2020 die Ausstellung Social Design: Wie wollen wir leben? statt.[72][73][74] An der HBK Braunschweig fand im Januar 2020 das Symposium „How to Act“ statt. Es wurden verschiedene Positionen zu Gestaltungsgegenständen, Ressourcen und Betriebssystemen präsentiert, in deren Folge Raum für gemeinsame Lernprozesse und kollektives Handeln entstehen sollten.[75]

Design für die Große Transformation (München 2022/2023)

In Kooperation mit dem social design lab der Hans Sauer Stiftung veranstaltet die Pinakothek der Moderne im Rahmen der Ausstellung Design für die Große Transformation eine Reihe von Workshops in denen Kriterien für zukunftsfähige Gestaltungen erarbeitet und diese auf die großen Zukunftsfragen hin geprüft werden. In einer abschließenden Session sollen die Ergebnisse in einer Charta „Design für die Große Transformation“ zusammengeführt werden.[76]

Studiengänge des Social Design

Studiengänge des Social Design werden mit unterschiedlichen Inhalten und Begriffen angeboten. Neben Social Design werden auch die Bezeichnungen Gesellschaftsdesign[77], Urban Design, Transformation Design, Transition Design[78], Public Interest Design oder Öko-Soziales Design[79] verwendet.[80] Die Studiengänge sind schwerpunktmäßig entweder eher gestalterisch oder eher sozialwissenschaftlich ausgerichtet.[81]

Gestalterisch orientierte Studiengänge

Sozialwissenschaftlich orientierte Studiengänge

  • Die Universität Stuttgart bietet den Masterstudiengang Planung und Partizipation an, der sich auf die Kooperation von sechs Instituten aus drei Fakultäten stützt, welche eine Vernetzung der unterschiedlichen Fachkenntnisse aus Planungs-, Sozial-, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Rechtswissenschaft ermöglichen soll.[102]
  • Die Hochschule für angewandte Wissenschaften München bietet den Masterstudiengang Gesellschaftlicher Wandel und Teilhabe an, der unter anderem an den Bachelorstudiengang Management Sozialer Innovationen anknüpft.[103][104][105]
  • Die Europa-Universität Flensburg bietet den Masterstudiengang Transformationsstudien an, der den Wandel gesellschaftlicher Naturverhältnisse thematisiert.[106][107]

Das Social Design Institute an der University of the Arts London (UAL) erforscht und praktiziert Social Design und Design for Sustainability.[108]

Kritik und Grenzen des Social Design

Im Februar 2012 fand in der Rockefeller Stiftung in New York ein Social Impact Design Summit statt, dessen Ergebnisse 2013 in einem White Paper veröffentlicht wurden.[109][110] Die Teilnehmer des Gipfels, die sowohl gemeinnützige als auch gewinnorientierte Organisationen sowie akademische Programme, Regierungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen vertraten, zeichneten das Bild eines Berufsfeldes, das viele Erfolge und vielversprechende Perspektiven aufweist. Dabei wurde festgestellt, dass sich Social Impact Design über mehrere Designdisziplinen erstreckt – einschließlich Produktdesign, Service Design, Grafikdesign, Städtebau und Architektur – und in vielen Aspekten seiner Praxis noch weit davon entfernt sei, formalisiert zu sein und daher eine Reihe von Lücken und Herausforderungen aufweise. Zu den Faktoren, die Social Impact Design behindern, zählten die Teilnehmer zusammenfassend das Fehlen eines klaren Verständnisses dessen, was der Begriff bedeutet. Mehr Klarheit, so schlugen sie vor, würde zu besser definierten Zielen führen und die Wertschätzung dieses Bereichs steigern. Die Teilnehmer verwiesen auch auf einen Mangel an akzeptierten Standards und ethischen Richtlinien, die dazu beitragen würden, die Praxis zu normalisieren. Darüber hinaus fehlten Strukturen für den Wissensaustausch unter Social Designern, insbesondere solchen, die interdisziplinär arbeiten. Kulturelle Vorurteile wurden als potenzielle Gefahr angesehen, insbesondere wenn es den Designern an Verständnis für die jeweilige lokale Kultur mangelt. Auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Aufrechterhaltung von Designprojekten mit sozialer Wirkung spielten in der Diskussion eine große Rolle. Schließlich forderten die Teilnehmer strengere Maßnahmen, um die Auswirkungen von Social Impact Design zu bewerten und damit seinen Nutzen zu belegen. Social Impact Design, so wurde festgestellt, sei sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft, die nicht nur kreative Fähigkeiten, sondern auch Strenge in der Praxis erfordert.

2022 schlagen die Designforscher Nynke Tromp und Stéphane Vial der Delft University of Technology einen einheitlichen Begriffsrahmen für das am Gemeinwohl ausgerichtete Social Design vor, der aus fünf Komponenten besteht:

  • auf Fürsorge ausgerichtete Designaktivitäten für das Wohlergehen unterprivilegierter Menschen
  • auf Reaktionsfähigkeit ausgerichtete Designaktivitäten für gute Governance

Dieser Rahmen soll Forschung und Praxis des Social Design unterstützen und dazu beitragen, die Disziplin Social Design systematisch weiterzuentwickeln.[111]

Siehe auch

Literatur

2022:

  • Carl DiSalvo: Design as Democratic Inquiry. Putting Experimental Civics into Practice, The MIT Press 2022, ISBN 978-0-262-54346-0

2021:

  • Michael Saward: Democratic Design, Oxford University Press 2021, ISBN 978-0198867227
  • Michael Erlhoff, Maziar Rezai (Hrsg.): Design & Democracy. Activist Thoughts and Practical Examples for Sociopolitical Empowerment. Birkhäuser 2021, ISBN 978-3-0356-2282-9.

2020:

  • Sasha Costanza Chock: Design Justice. Community-led Practices to Build the Worlds We Need, The MIT Press 2020, ISBN 978-0-262-04345-8.
  • Martina Fineder, Johannes Lang (Hrsg.): Zwischen-menschliches Design. Sozialität und Soziabilität durch Dinge, Springer VS 2020, ISBN 978-3-658-30268-9.

2019:

  • Elizabeth Resnick (Hrsg.): The Social Design Reader. Bloomsbury Visual Arts, London 2019, ISBN 978-1-350-02605-6.
  • Ezio Manzini: Politics of the Everyday. (In der Serie: Designing in dark times). Bloomsbury Visual Arts, 2019, ISBN 978-1-350-05365-6.
  • Tom Bieling (Hrsg.): Design (&) Activism – Perspectives on Design as Activism and Activism as Design. Milano: Design Meanings / Mimesis International, 2019, ISBN 978-88-6977-241-2.
  • Michelle Christensen, Florian Conradi: Politics of Things. A Critical Approach to Design, Birkhäuser Verlag 2019, ISBN 978-3-0356-2053-5.

2018:

  • Angeli Sachs (Hrsg.): Social Design. Participation and Empowerment. Lars Müller Publishers 2018, ISBN 978-3-03778-570-6.
  • Hilke Marit Berger: Handlung statt Verhandlung. Kunst als gemeinsame Stadtgestaltung, Jovis Verlag 2018, ISBN 978-3-86859-503-1.
  • André Schaminée: Designing with-in Public Organizations. Building Bridges between Public Sector Innovators and Designers, BIS Publishers 2018, ISBN 978-90-6369-497-5.
  • Arturo Escobar: Designs for the Pluriverse. Radical Interdependence, Autonomy, and the Making of Worlds, Duke University Press 2018, ISBN 978-0-8223-7105-2.
  • Christoph Rodatz/Pierre Smolarski (Hg.): Was ist Public Interest Design? Beiträge zur Gestaltung öffentlicher Interessen, Transcript Verlag 2018, ISBN 978-3-8376-4576-7.

2017:

  • Anton Falkeis (Hrsg.): Social Design – Urban Change. Arts as Urban Innovation. Birkhäuser 2017, ISBN 978-3-0356-1117-5.
  • Karl Stocker (Hrsg.): Sozio-Design/Socio-Design: Relevante Projekte – Entworfen für die Gesellschaft/Relevant Projects – Designed for Society. Basel 2017, ISBN 978-3-0356-1208-0.
  • Bernd Sommer, Harald Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. Oekom Verlag 2017, ISBN 978-3-86581-845-4.
  • Alison J. Clarke (Hrsg.): Design Anthropology. Object Cultures in Transition, Bloomsbury Academic 2017, ISBN 978-1-4742-5903-3.
  • Sabine Junginger: Transforming Public Services by Design. Re-orienting policies, organizations and services around people, Routledge 2017, ISBN 978-1-4094-3625-6.
  • Dominik Walcher, Michael Leube: Kreislaufwirtschaft in Design und Produktmanagement. Co-Creation im Zentrum der zirkulären Wertschöpfung, Springer Gabler 2017, ISBN 978-3-658-18511-4.

2016:

  • Friedrich von Borries: Weltentwerfen. Eine politische Designtheorie. Suhrkamp Verlag 2016, ISBN 978-3-518-12734-6.
  • Claudia Banz (Hrsg.): Social Design. Gestalten für die Transformation der Gesellschaft. transcript 2016, ISBN 978-3-8376-3068-8.[112]
  • Elizabeth Resnick: Developing Citizen Designers. Bloomsbury Academic 2016, ISBN 978-0-85785-620-3.
  • Cynthia E. Smith: By the People: Designing a Better America, Cooper Hewitt & Smithsonian Design Museum 2016, ISBN 978-3-89955-691-9.
  • Christopher A. Le Dantec: Designing Publics, The MIT Press 2016, ISBN 978-0-262-03516-3.
  • Wolfgang Jonas, Sarah Zerwas, Kristof von Anshelm (Hrsg.): Transformation Design. Perspectives on a New Design Attitude, Birkhäuser Verlag 2016, ISBN 978-3-0356-0636-2.

2010 bis 2015:

  • Max Bruinsma, Victor Margolin (Hrsg.): Design for the Good Society. Utrecht Manifest 2005–2015. NAI010 Publishers 2015, ISBN 978-94-6208-205-2.
  • Ezio Manzini: Design, When Everybody Designs: An Introduction to Design for Social Innovation. The MIT Press, 2015, ISBN 978-0-262-02860-8.
  • Kees Dorst: Frame Innovation. Create New Thinking by Design, The MIT Press 2015, ISBN 978-0-262-32431-1.
  • Pelle Ehn, Elisabet M. Nilsson, Richard Topgaard (Hrsg.): Making Futures. Marginal Notes on Innovation, Design and Democracy, The MIT Press 2014, ISBN 978-0-262-02793-9.
  • Jen Jack Gieseking, William Mangold (Hrsg.): The People, Place & Space Reader. Routledge 2014, ISBN 978-0-415-66497-4.
  • Florian Pfeffer: To Do. Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt. Strategien, Werkzeuge, Geschäftsmodelle, Verlag Hermann Schmidt Mainz 2014, ISBN 978-3-87439-834-3.
  • Susan Yelavich, Barbara Adams (Hrsg.): Design as Future-Making, Bloomsbury Academic 2014, ISBN 978-1-4725-7471-8.
  • Gary S. Metcalf (Hrsg.): Social Systems and Design, Springer 2014, ISBN 978-4-431-54477-7.
  • Sabine Wildevuur, Dick van Dijk, Thomas Hammer-Jakobsen, Mie Bjerre, Anne Äyväri, Jesper Lund: Connect. Design for an Empathic Society, BIS Publishers 2013, ISBN 978-90-6369-331-2.
  • Michiel Schwarz, Diana Krabbendam: Sustainist Design Guide. How sharing, localism, connectedness and proportionality are creating a new agenda for social design, BIS Publishers 2013, ISBN 978-90-6369-283-4.
  • Ann Thorpe: Architecture & Design versus Consumerism. How design activism confronts growth. Earthscan 2012, ISBN 978-1-84971-355-9.
  • Stephan Moebius, Sophia Prinz (Hg.): Das Design der Gesellschaft: Zur Kultursoziologie des Designs, transcript-Verlag, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8376-1483-1.
  • Anne Pfeil, Jürgen Sulzer: Vom Urbanen Design zum Social Urban Design. In: Social Design. (= Kunstforum International. Bd. 207). 2011, S. 152–159.
  • Cynthia E. Smith: Design with the Other 90%: Cities, Cooper Hewitt & Smithsonian Design Museum 2011, ISBN 978-0-910503-83-9.
  • Tony Fry: Design as Politics. Berg Publishers, 2010, ISBN 978-1-84788-567-8.

vor 2010:

  • Gui Bonsiepe: Entwurfskultur und Gesellschaft. Gestaltung zwischen Zentrum und Peripherie, Birkhäuser 2009, ISBN 978-3-7643-8965-9.
  • Alastair Fuad-Luke: Design Activism. Beautiful Strangeness for a Sustainable World. Routledge 2009, ISBN 978-1-84407-645-1.
  • Cynthia E. Smith: Design for the Other 90%. The University of Chicago Press 2007, ISBN 978-0-910503-97-6.
  • Alex Coles (Hrsg.): Design and Art. Documents of Contemporary Art, Whitechapel Gallery/The MIT Press 2007, ISBN 978-0-262-53289-1.
  • Beat Schneider: Design – Eine Einführung. Entwurf im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext, Birkhäuser Verlag 2005, ISBN 978-3-7643-7241-5
  • Richard J. Boland Jr., Fred Collopy (Hrsg.): Managing as Designing, Stanford University Press 2004, ISBN 0-8047-4674-5.
  • Jorge Frascara (Hrsg.): Design and the Social Sciences: Making Connections, Taylor & Francis 2002, ISBN 0-415-27376-5.
  • Nigel Whiteley: Design for Society. Reaktion Books 1994, ISBN 0-948462-47-7.
  • Internationales Forum für Gestaltung Ulm (IFG): Gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen. Eine neue Beziehung zu den Dingen, Anabas Verlag 1993, ISBN 3-87038-252-X.
  • Julian Bicknell, Liz McQuiston (Hrsg.): Design for Need. The Social Contribution of Design. An Anthology of papers presented to the Symposium at the Royal College of Art, London, April 1976, Pergamon Press1977, ISBN 0-08-021500-9.
  • Victor Papanek: Design for the Real World: Human Ecology and Social Change. Pantheon Books, New York 1971, ISBN 0-394-47036-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Boris Kochan: Politisiert Euch! Deutscher Designer Club, 5. September 2020, abgerufen am 8. August 2022.
  2. Antje Flade: Social Design. In: socialnet.de. 28. Juni 2019, abgerufen am 4. August 2022.
  3. Peter Stuiber: Raus aus der Nische! The Gap, 13. Oktober 2011, abgerufen am 4. August 2022.
  4. Elizabeth Resnick (Hrsg.): The Social Design Reader. Bloomsbury Visual Arts, London 2019, ISBN 978-1-350-02605-6, S. Preface.
  5. Angeli Sachs: Social Design – Past and Present. In: Social Design. Participation and Empowerment. Lars Müller Publishers, Zürich 2018, ISBN 978-3-03778-570-6, S. 21.
  6. das prinzip coop – Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung. Bauhaus Dessau, 2015, abgerufen am 14. August 2022.
  7. Roland Berg: Gestalten im Kollektiv. „das prinzip coop – Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung“, Stiftung Bauhaus Dessau. taz. die tageszeitung, 26. Mai 2015, abgerufen am 14. August 2022.
  8. James Auger, Julian Hanna: How the Future Happens. In: Journal of Futures Studies. Band 23, Nr. 3, 2019, S. 93 – 98.
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