Transneptunisches Objekt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Schematische Darstellung der Verteilung der Objekte am Rand des Sonnensystems, die Entfernung von der Sonne in AU (waagrechte Achse) ist gegen die Bahnneigung (senkrechte Achse) abgetragen. (gelb: Zentauren, rot: resonante KBO, blau: Cubewanos, grau: SDO)

<imagemap>-Fehler: Bild ist ungültig oder nicht vorhanden

Als transneptunisches Objekt (TNO) oder auch seltener Transneptun bezeichnet man alle Himmelskörper des Sonnensystems, deren mittlere Umlaufbahn (große Halbachse) jenseits der Bahn des äußersten Gasplaneten Neptun liegt.[1]

Im Kuipergürtel befindliche Objekte sind eine Teilmenge der TNO und werden auch als Kuipergürtelobjekte (KBO, von englisch Kuiper belt object) bezeichnet. Heute kennt man circa 3300 TNO, vermutet aber allein einige zehntausend Objekte, deren Durchmesser 100 km überschreitet.

Geschichte

Von etwa 1900 bis 1930 stand das Wort Transneptun für einen hypothetischen neunten Planeten, der (irrtümlich) für kleine Bahnstörungen der Planeten Uranus und Neptun verantwortlich gemacht wurde. Der Marsforscher Percival Lowell hatte lange selbst nach ihm gesucht und dafür das Lowell-Observatorium bei Flagstaff finanziert.

Pluto wurde am 18. Februar 1930 entdeckt und ist das einzige transneptunische Objekt, das für eine gewisse Zeit als Planet galt. Pluto wurde jedoch 2006 auf den Rang eines Zwergplaneten herabgestuft. Ab etwa 1950 suchte man nach einem Transpluto, jedoch wählte man 1977, nach der Entdeckung des ersten Zentauren Chiron, eine andere Terminologie.

Viele transneptunische Objekte sind nicht sehr groß, dunkel und schwer zu erkennen. Die Erforschung der transneptunischen Objekte befindet sich noch in ihren Anfängen. Jedes Jahr werden viele Objekte neu entdeckt. Neue und größere Teleskope und computergestützte Bildauswertung ermöglichen neue Erkenntnisse über diese Objekte in schneller Folge. Die Raumsonde New Horizons konnte Pluto und den Kuipergürtel genauer untersuchen und brachte damit neue Erkenntnisse über diesen Bereich des Sonnensystems.

Eigenschaften

Die bisher entdeckten transneptunischen Objekte sind in ihrer Zusammensetzung kometenähnlich. Viele bekannte Kometen stammen nach Bahn-Messungen seit den 1970er Jahren eher aus dem Kuipergürtel als, wie lange Zeit vermutet, aus der Oortschen Wolke.

Die Transneptune werden als spezielle Gruppe der Asteroiden angesehen und unterscheiden sich von jenen im Hauptgürtel vor allem durch

  • ihre sonnenferneren und oft sehr langgestreckten Umlaufbahnen
  • ihre oft kohlenartige dunkle Farbe (Albedo nur etwa 0,04 – 0,2)
  • ihre Zusammensetzung aus Lockergestein und Eis, die gleichzeitig den Übergang zu Kometenkernen darstellt.

Objekttypen

Die Transneptune umlaufen die Sonne größtenteils im Kuipergürtel zwischen 30 und 55 AE und gliedern sich in verschiedene Gruppen anhand ihrer Umlaufbahnen.

Resonante KBO

Ein Drittel aller Kuipergürtel-Objekte steht in verschiedenen Bahnresonanzen zum Planeten Neptun. Ihre Umlaufzeiten stehen also in einem einfachen Zahlenverhältnis zu der des Neptun von 164,79 Jahren. Gemäß dem dritten Keplerschen Gesetz haben Objekte mit gleicher Bahnresonanz auch ähnlich große Halbachsen. Die übrigen Bahnelemente wie deren Form (Exzentrizität) und deren Lage (Inklination, Länge des aufsteigenden Knotens und Argument der Periapsis) sind jedoch sehr verschieden. Häufige Resonanzen sind:

Reso­nanz[2] Umlauf­zeit1
(Jahre)
große Halb­achse1(AE) Bezeich­nung Beispiele
2:3 247 39,4 Plutino (134340) Pluto, (28978) Ixion, (38628) Huya, (84922) 2003 VS2, (90482) Orcus, (208996) 2003 AZ84
3:5 275 42,3 (15809) 1994 JS, (126154) 2001 YH140, (143751) 2003 US292
4:7 288 43,6 (118378) 1999 HT11, (118698) 2000 OY51, (119070) 2001 KP77, (119956) 2002 PA149, (469306) 1999 CD158
1:2 330 47,7 Twotino (20161) 1996 TR66, (26308) 1998 SM165, (119979) 2002 WC19, (130391) 2000 JG81, (137295) 1999 RB216
2:5 412 55,4 (69988) 1998 WA31, (84522) 2002 TC302, (119068) 2001 KC77, (135571) 2002 GG32, (143707) 2003 UY117
1:3 494 62,5 (136120) 2003 LG7, (385607) 2005 EO297
1 Näherung. Es gibt auch Einflüsse anderer Objekte auf die Bahnen, woraus sich Streuungen ergeben.

Die Plutinos sind nach ihrem als erstem entdeckten Mitglied Pluto benannt. Twotinos sind eine Abwandlung dieses Begriffes entsprechend dem Zahlenverhältnis 2:1.

Klassische KBO (Cubewanos)

Eine noch zahlreichere Kategorie sind die Cubewanos (oder „klassische KBO“, CKBO). Die Gruppe ist benannt nach dem ersten entdeckten Objekt dieser Gruppe Albion (vormals „1992 QB1“). Die Objekte bewegen sich mit kleinen Exzentrizitäten auf nahezu kreisförmigen Bahnen zwischen 42 und 50 AE mit Bahnneigungen von bis zu 30°. Etwa 2/3 der bekannten KBO bewegen sich auf einer solchen kreisähnlichen Bahn um die Sonne. Zu dieser Gruppe gehören die 1000-km-Objekte Quaoar und Varuna. Klassische KBO weisen keine Bahnresonanz mit den äußeren Planeten auf.

Gestreute KBO

Gestreute KBO (oder Scattered Disk Objects, SDO) bewegen sich mit großen Exzentrizitäten auf Bahnen mit Periheldistanzen nahe 35 AE und Apheldistanzen bis einige hundert AE. Bis jetzt sind circa 500 dieser gestreuten KBO bekannt (zum Beispiel (15874) 1996 TL66 mit einer stark elliptischen Bahn und einer Bahnneigung von 24°), wohl erst ein winziger Bruchteil der tatsächlich existierenden.

Detached Objects

Die Bahnen einiger transneptunischer Objekte können nicht allein mittels Streuung durch Neptun erklärt werden. Diese „freistehenden Objekte“ (englisch „Detached Objects“ (DO) oder „Distant Detached Objects“ (DDO)) haben Periheldistanzen von mehr als 40 AE, was nicht durch Neptuns Gravitation verursacht sein kann. Die Erklärungsansätze beinhalten eine Störung von außerhalb des Kuipergürtels, z. B. durch einen vorbeifliegenden Stern[3] oder einen außerhalb des Gürtels befindlichen Planeten.[4] Gegenwärtig sind etwa 60 bekannt.

Sednoiden

Ende 2003 wurde mit (90377) Sedna ein Objekt in seinerzeit dreifacher Pluto-Entfernung entdeckt, das sich auf einer äußerst langgezogenen Ellipse weit außerhalb des Kuipergürtels, aber noch nicht in der Oortschen Wolke bewegt und einen neuen Prototyp darstellt. Es ist rund 995 km groß und wurde nach der zentralen Meeresgöttin der Inuit Sedna benannt. Man fand 2012 VP113 und einige weitere Objekte mit ähnlichen Bahnelementen. Die Ausrichtung ihrer Apsidenlinien und ihre ähnliche Inklination führten Konstantin Batygin und Michael E. Brown zu dem Schluss, ein noch nicht entdeckter „Planet Neun“ erzwinge die gleichförmige Ausrichtung der Umlaufbahnen dieser DDO.[5]

Bahnparameter hoch-extremer transneptunischer Objekte mit Perihelien > 50 AE und großen Halbachsen > 150 AE[6]
Objekt große Halb­achse
a (AE)
Exzen­trizität
e
Perihel
q (AE)
Aphel
Q (AE)
Inkli­nation
i (°)
Argument
der Periapsis

(°)
Länge des aufst. Knotens
Ω (°)
Umlauf­zeit
T (Jahre)
Absolute Helligkeit
H (mag)
(90377) Sedna 510,4 0,850 76,40 944 11,931 311 144 11.530 1,56
2012 VP113 269 0,700 80,44 458 0,690 24,07 293,7 90,8 4,00
(541132) Leleākūhonua 1274 ± 147 0,949 65,17 2483 ± 300 11,660 118 301 45.500 ± 800 5,50
2013 SY99 825 ± 32 0,939 50,08 1500 ± 60 4,214 31,7 29,5 23.700 ± 1.400 6,70

Bekannte Objekte

Die hellsten bekannten TNO (mit absoluter Helligkeit ≤ 4,0):

Legende zur nachfolgenden Tabelle (Bedeutung der Spalten)
Name Eigenname
vorl. Bez. Vorläufige Bezeichnung
MV Absolute Helligkeit
A Albedo
D Äquatordurchmesser (in km)
a Große Halbachse (in AU)
e Numerische Exzentrizität
i Bahnneigung (in Grad)
T Umlaufdauer (in Erdjahren)
Gr Gruppe
EJ Jahr der Entdeckung
Name vorl. Bez. MV A D a e i T Gr EJ
(134340) Pluto −1,0 0,49 – 0,66 2370 039,48 0,249 17,2 00.247,94 PLU 1930
(136199) Eris 2003 UB313 −1,1 0,85 ± 0,07 2326 067,73 0,441 44,1 00.556,41 SDO 2005
(136472) Makemake 2005 FY9 −0,3 0,77 ± 0,03 1502 ± 45äqu × 1430 ± 9pol 045,75 0,155 29,0 00.309,41 KBO 2005
(136108) Haumea 2003 EL61 0,2 0,8 ± 0,07 1920 × 1540 × 990 043,27 0,190 28,2 00.284,61 KBO 2005
(90377) Sedna 2003 VB12 1,5 0,32 ± 0,06 0995 ± 80 515 0,852 11,9 11.929 ANO 2003
(225088) Gonggong 2007 OR10 1,8 0,089 +0,031−0,009[7] 1535 +75-225[7] 067,06 0,506 30,9 00.549,16 SDO 2007
(90482) Orcus 2004 DW 2,2 0,23 0917 ± 25 039,47 0,218 20,6 00.247,97 PLU 2004
(50000) Quaoar 2002 LM60 2,4 0,10 ± 0,03 1100 ± 5 043,32 0,035 08,0 00.285,09 CKBO 2002
(174567) Varda 2003 MW12 3,3 0,102 ± 0,024 0705 ± 75 045,74 0,140 21,5 00.309,41 KBO 2003
(55636) 2002 TX300 3,4 0,88 +0,015−0,008 0286 ± 10 043,16 0,121 25,9 00.283,56 CKBO 2002
(202421) 2005 UQ513 3,4 0,202 +0,084−0,049 0498 +63−75 043,24 0,150 25,7 00.284,37 CKBO 2005
(55565) 2002 AW197 3,4 0,112 ± 0,012 0768 ± 38 047,52 0,131 24,3 00.327,64 CKBO 2002
(229762) Gǃkúnǁʼhòmdímà 2007 UK126 3,5 0,167 +0,058−0,038 0614 ± 15 073,81 0,492 23,3 00.634 SDO (DO) 2007
(28978) Ixion 2001 KX76 3,6 0,141 ± 0,011 0617 ± 19 039,46 0,242 19,6 00.249,89 PLU 2001
(20000) Varuna 2000 WR106 3,7 0,127 ± 0,04 0668 +154−86 043,16 0,051 17,2 00.283,56 CKBO 2000
(307261) 2002 MS4 3,7 0,051 +0,036−0,022 0934 ± 47 041,68 0,146 17,7 00.269,06 KBO 2002
(208996) 2003 AZ84 3,7 0,107 +0,023−0,016 0727 ± 65 039,66 0,176 13,6 00.249,79 KBO 2003
(145452) 2005 RN43 3,7 0,11 0679 +55−73 041,36 0,019 19,3 00.265,98 CKBO? 2005
(55637) 2002 UX25 3,8 0,107 +0,005−0,008 0665 ± 29 042,66 0,144 19,5 00.278,60 CKBO 2002
(84522) 2002 TC302 3,9 0,115 +0,047−0,033 0584 +105−88 055,36 0,296 35,1 00.412 SDO 2002
(120347) Salacia 2004 SB60 3,9 0,035 +0,010−0,007 0854 ± 45 041,88 0,108 23,9 00.271,00 KBO 2004
(278361) 2007 JJ43 3,9 0,13 +0,09−0,07 0610 +170−140 048,27 0,163 12,0 00.335,40 KBO 2007
(90568) 2004 GV9 4,0 0,0770 +0,0084−0,0077 0680 ± 34 042,12 0,081 22,0 00.273,38 CKBO? 2004
2010 KZ39 4,0 0,10 0600 geschätzt 045,11 0,056 26,1 00.302,97 CKBO? 2010
2012 VP113[8] 4,0 0,2 geschätzt 0450 geschätzt 261 0,691 24,0 04.200 ANO 2012
(230965) 2004 XA192[9] 4,2 0,26 +0,34−0,15 0339 +120−95 047,29 0,250 38,1 00.325,23 KBO 2004

Siehe auch

Literatur

  • David C. Jewitt u. a.: Trans-Neptunian objects and comets. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-71957-1.
  • John K. Davies: Beyond Pluto – exploring the outer limits of the solar system. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2001, ISBN 0-521-80019-6.
  • Alan Fitzsimmons u. a.: Minor bodies in the outer solar system. Springer, Berlin 2001, ISBN 3-540-41152-6.

Weblinks

Commons: Transneptunische Objekte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pluto der problematische Planet. In: David Baker, Todd Ratcliff: Extreme Orte. Rowohlt, 2010, ISBN 978-3-498-00660-0, S. 198 f.
  2. Liste klassifizierter Objekte im MPC Oktober 2008.
  3. Morbidelli, Alessandro; Levison, Harold F. (November 2004). Scenarios for the Origin of the Orbits of the Trans-Neptunian Objects 2000 CR105 and 2003 VB12. The Astronomical Journal 128 (5): 2564–2576. arxiv:astro-ph/0403358
  4. Rodney S. Gomes; Matese, J; Lissauer, J (2006). A distant planetary-mass solar companion may have produced distant detached objects. Icarus (Elsevier) 184 (2): 589–601. doi:10.1016/j.icarus.2006.05.026
  5. K. Batygin, M. E. Brown: Evidence for a Distant Giant Planet in the Solar System. In: The Astronomical Journal. Band 151, Nr. 2, 2016, S. 22–34, doi:10.3847/0004-6256/151/2/22
  6. SSD-Daten. (JSON-Daten) In: Small-Body Database Query. Caltech/JPL;
  7. a b Róbert Szabó et al.: Pushing the Limits of K2: Observing Trans-Neptunian Objects. S3K2: Solar System Studies with K2 (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lcogt.net (PDF)
  8. Chadwick A. Trujillo, Scott S. Sheppard: A Sedna-like body with a perihelion of 80 astronomical units. In: Nature, 507 (7493), 2014, S. 471, doi:10.1038/nature13156
  9. E. Vilenius, C. Kiss, T. Müller, M. Mommert, P. Santos-Sanz, A. Pál, J. Stansberry, M. Mueller, N. Peixinho, E. Lellouch, S. Fornasier, A. Delsanti, A. Thirouin, J. L. Ortiz, R. Duffard, D. Perna, F. Henry: TNOs are Cool: A survey of the trans-Neptunian region. X. Analysis of classical Kuiper belt objects from Herschel* and Spitzer observations. (PDF; 519 kB) 2014, S. 13 (englisch)