Orthogonale Matrix

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Durch Multiplikation mit einer orthogonalen Matrix Q können Vektoren gedreht (links) oder gespiegelt (rechts) werden. Die Länge der Vektoren und der Winkel zwischen den Vektoren bleiben dabei erhalten.

Eine orthogonale Matrix ist in der linearen Algebra eine quadratische, reelle Matrix, deren Zeilen- und Spaltenvektoren orthonormal bezüglich des Standardskalarprodukts sind. Damit ist die Inverse einer orthogonalen Matrix gleichzeitig ihre Transponierte.

Orthogonale Matrizen stellen Kongruenzabbildungen im euklidischen Raum, also Drehungen, Spiegelungen und Kombinationen daraus, dar. Jede orthogonale Abbildung zwischen zwei endlichdimensionalen Skalarprodukträumen kann nach Wahl je einer Orthonormalbasis durch eine orthogonale Matrix dargestellt werden. Die Menge der orthogonalen Matrizen fester Größe bildet mit der Matrizenmultiplikation als Verknüpfung die orthogonale Gruppe.

Orthogonale Matrizen werden beispielsweise bei der numerischen Lösung linearer Gleichungssysteme oder Eigenwertprobleme eingesetzt. Der analoge Begriff bei komplexen Matrizen ist die unitäre Matrix.

Definition

Eine reelle quadratische Matrix heißt orthogonal, wenn das Produkt mit ihrer transponierten Matrix die Einheitsmatrix ergibt, also

gilt. Werden die Spaltenvektoren der Matrix mit bezeichnet, dann ist diese Bedingung gleichbedeutend damit, dass das Standardskalarprodukt zweier Spaltenvektoren

ergibt, wobei das Kronecker-Delta ist. Die Spaltenvektoren einer orthogonalen Matrix bilden damit eine Orthonormalbasis des Koordinatenraums . Dies trifft auch für die Zeilenvektoren einer orthogonalen Matrix zu, denn mit ist auch orthogonal, das heißt

.

Auch wenn die Bezeichnung „orthogonale Matrix“ so verstanden werden könnte, reicht es nicht aus, wenn die Zeilen- oder Spaltenvektoren lediglich paarweise orthogonal sind; sie müssen zusätzlich normiert sein, also die Länge eins aufweisen.

Beispiele

Konkrete Beispiele

  • Die Matrix
ist orthogonal, denn es gilt
.
  • Auch die Matrix
ist orthogonal, denn es gilt
.

Allgemeine Beispiele

  • Permutationsmatrizen, also Matrizen, bei denen genau ein Eintrag pro Zeile und Spalte gleich eins ist und alle anderen Einträge null sind, sind orthogonal. Bezeichnet die zu einer Permutation zugehörige Permutationsmatrix, dann gilt
,
denn die transponierte Permutationsmatrix ist gleich der Permutationsmatrix der inversen Permutation, die alle Vertauschungen rückgängig macht, und das Produkt von Permutationsmatrizen entspricht der Hintereinanderausführung der Permutationen. Die vorzeichenbehafteten Permutationsmatrizen, bei denen in jeder Zeile und Spalte genau ein Eintrag plus oder minus eins ist und alle übrigen Einträge null sind, sind genau die ganzzahligen orthogonalen Matrizen.
die Drehmatrix einer Drehung um einen Winkel , die den Ursprung festlässt, dann gilt mit dem „trigonometrischen Pythagoras
.
Allgemeiner sind auch Drehmatrizen, die eine Drehung in einer beliebigen Ursprungsebene im -dimensionalen Raum beschreiben, orthogonal.
die Spiegelungsmatrix einer Spiegelung an einer Ursprungsgerade mit Einheits-Normalenvektor , dann gilt
,
denn Spiegelungsmatrizen sind nach Definition symmetrisch und für einen Einheitsvektor gilt . Allgemeiner sind auch Matrizen, die Spiegelungen an einem beliebigen Untervektorraum im -dimensionalen Raum (beispielsweise einer Hyperebene) beschreiben, orthogonal.

Eigenschaften

Inverse

Eine orthogonale Matrix ist aufgrund der linearen Unabhängigkeit ihrer Zeilen- und Spaltenvektoren stets regulär. Die Inverse einer orthogonalen Matrix ist dabei gleich ihrer Transponierten, das heißt, es gilt

.

Die Inverse einer Matrix ist nämlich gerade diejenige Matrix , für die

gilt. Aus der zweiten Gleichung folgt weiterhin, dass die Transponierte einer orthogonalen Matrix orthogonal ist. Es gilt auch die Umkehrung und jede Matrix , deren Transponierte gleich ihrer Inversen ist, ist orthogonal, denn es gilt dann

.

Längen- und Winkeltreue

Wird ein Vektor mit einer orthogonalen Matrix multipliziert, ändert sich die Länge (euklidische Norm) des Vektors nicht, das heißt

.

Weiter ist das Standardskalarprodukt zweier Vektoren invariant bezüglich der Multiplikation mit einer orthogonalen Matrix , also

.

Damit bleibt auch der Winkel zwischen den beiden Vektoren erhalten. Beide Eigenschaften folgen direkt aus der Verschiebungseigenschaft des Standardskalarprodukts. Aufgrund dieser Längen- und Winkeltreue stellt die lineare Abbildung

eine Kongruenzabbildung im euklidischen Raum dar. Umgekehrt ist die Abbildungsmatrix bezüglich der Standardbasis jeder winkeltreuen linearen Abbildung im euklidischen Raum orthogonal. Aufgrund der Polarisationsformel ist auch jede längentreue Abbildung winkeltreu.

Determinante

Für den Betrag der Determinante einer orthogonalen Matrix gilt

,

was mit Hilfe des Determinantenproduktsatzes über

folgt. Damit kann die Determinante einer orthogonalen Matrix nur die Werte eins oder minus eins annehmen. Es gibt allerdings auch nicht-orthogonale Matrizen, deren Determinante plus oder minus eins ist, zum Beispiel unimodulare Matrizen. Orthogonale Matrizen, deren Determinante eins ist, entsprechen Drehungen. Man spricht dann auch von einer eigentlich orthogonalen Matrix. Orthogonale Matrizen, deren Determinante minus eins ist, stellen Drehspiegelungen dar. Man spricht dann auch von einer uneigentlich orthogonalen Matrix.

Eigenwerte

Die Eigenwerte einer orthogonalen Matrix sind nicht notwendigerweise alle reell. Sie haben jedoch den komplexen Betrag eins, sind also von der Form

mit . Ist nämlich ein zu gehöriger Eigenvektor, dann gilt aufgrund der Längentreue und der absoluten Homogenität einer Norm

und daher . Eine orthogonale Matrix besitzt demnach höchstens die reellen Eigenwerte . Die komplexen Eigenwerte treten immer paarweise komplex konjugiert auf, das heißt mit ist auch ein Eigenwert, denn

.

Demnach besitzt eine orthogonale Matrix ungerader Dimension mindestens einen reellen Eigenwert (siehe auch den Satz vom Fußball).

Diagonalisierbarkeit

Eine orthogonale Matrix ist normal, das heißt, es gilt

,

und damit über den komplexen Zahlen unitär diagonalisierbar. Nach dem Spektralsatz gibt es nämlich eine unitäre Matrix , sodass

gilt, wobei eine Diagonalmatrix mit den Eigenwerten von ist. Die Spaltenvektoren von sind dann paarweise orthonormale Eigenvektoren von . Damit sind auch die Eigenräume einer orthogonalen Matrix paarweise orthogonal.

Im Allgemeinen ist eine orthogonale Matrix jedoch nicht reell diagonalisierbar. Es existiert allerdings eine orthogonale Matrix , sodass

eine Blockdiagonalmatrix ergibt, bei der die einzelnen Blöcke entweder Drehmatrizen der Größe sind oder aus der Zahl oder bestehen. Diese Darstellung wird auch Normalform einer orthogonalen Matrix genannt.

Normen

Die Spektralnorm einer orthogonalen Matrix ist

.

Für die Frobeniusnorm gilt mit dem Frobenius-Skalarprodukt entsprechend

.

Das Produkt mit einer orthogonalen Matrix erhält sowohl die Spektralnorm, als auch die Frobeniusnorm einer gegebenen Matrix , denn es gilt

und

.

Damit bleibt auch die Kondition einer Matrix bezüglich dieser Normen nach Multiplikation mit einer orthogonalen Matrix erhalten.

Orthogonale Matrizen als Gruppe

Die Menge der regulären Matrizen fester Größe bildet mit der Matrizenmultiplikation als Verknüpfung eine Gruppe, die allgemeine lineare Gruppe . Als neutrales Element dient dabei die Einheitsmatrix . Die orthogonalen Matrizen bilden eine Untergruppe der allgemeinen linearen Gruppe, die orthogonale Gruppe . Das Produkt zweier orthogonaler Matrizen ist nämlich wieder orthogonal, denn es gilt

.

Weiter ist die Inverse einer orthogonalen Matrix ebenfalls orthogonal, denn es gilt

.

Die orthogonalen Matrizen mit Determinante eins, also die Drehmatrizen, bilden wiederum eine Untergruppe der orthogonalen Gruppe, die Drehgruppe (oder spezielle orthogonale Gruppe) . Dabei handelt es sich um eine Lie-Gruppe, d. h. die Gruppenoperationen sind verträglich mit dem Differenzieren in der Gruppe, und Elemente von lassen sich als Exponentiale von Matrizen aus der zugehörigen Lie-Algebra darstellen. Die orthogonalen Matrizen mit Determinante minus eins, also die Drehspiegelungen, bilden keine Untergruppe der orthogonalen Gruppe, sondern lediglich eine Nebenklasse, denn ihnen fehlt das neutrale Element.

Verwendung

Lineare Gleichungssysteme

Die Lösung linearer Gleichungssysteme der Form

mit einer orthogonalen Matrix und einer rechten Seite lässt sich numerisch effizient durch

berechnen. Die Ermittlung der Lösung erfordert also lediglich eine Matrix-Vektor-Multiplikation, die mit einem Aufwand der Ordnung durchgeführt werden kann. Im Vergleich dazu benötigt die Lösung allgemeiner linearer Gleichungssysteme beispielsweise mit Hilfe der Gauß-Elimination einen Aufwand . Dieser Vorteil wird beispielsweise bei der (reellen) diskreten Fourier-Transformation und der diskreten Kosinus-Transformation genutzt.

Matrixzerlegungen

Eine weitere Anwendung orthogonaler Matrizen ist die QR-Zerlegung einer gegebenen Matrix als Produkt

einer orthogonalen Matrix und einer oberen Dreiecksmatrix . Die Konstruktion der Matrix kann dabei mit Givens-Rotationen, die Drehungen entsprechen, oder Householdertransformationen, die Spiegelungen entsprechen, durchgeführt werden. QR-Zerlegungen werden in der Numerik bei der Lösung schlecht konditionierter, überbestimmter oder unterbestimmter linearer Gleichungssysteme eingesetzt. Ein weiteres Anwendungsfeld besteht in der Berechnung von Eigenwertproblemen mit dem QR-Algorithmus.

Mit Hilfe der Singulärwertzerlegung lässt sich jede reelle Matrix auch als Produkt

einer orthogonalen Matrix , einer Diagonalmatrix und der Transponierten einer weiteren orthogonalen Matrix darstellen. Die Diagonaleinträge der Matrix sind dann die Singulärwerte von . Die Singulärwertzerlegung wird beispielsweise in der Geometrie bei der Hauptachsentransformation von Quadriken und in der Statistik bei der Hauptkomponentenanalyse multivariater Datensätze eingesetzt.

Eine quadratische Matrix kann mittels der Polarzerlegung auch als Produkt

einer orthogonalen Matrix und einer positiv semidefiniten symmetrischen Matrix faktorisiert werden.

Orthogonale Abbildungen

Ist ein -dimensionaler reeller Skalarproduktraum, dann lässt sich jede lineare Abbildung nach Wahl einer Orthonormalbasis für durch die Abbildungsmatrix

darstellen, wobei für ist. Die Abbildungsmatrix ist nun genau dann orthogonal, wenn eine orthogonale Abbildung ist. Dies folgt aus

,

wobei und sind.

Siehe auch

Literatur

Weblinks