Gerhard Domagk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Gerhard Johannes Paul Domagk)
Datei:Gerhard Domagk nobel.jpg
Gerhard Domagk (1939)

Gerhard Johannes Paul Domagk (* 30. Oktober 1895 in Lagow, Brandenburg; † 24. April 1964 in Burgberg, heute Ortsteil von Königsfeld im Schwarzwald) war ein deutscher Pathologe, Bakteriologe und Nobelpreisträger. Er führte die Sulfonamide als Antibiotika (Mittel zur chemischen Bekämpfung von Bakterien) und damit zur Therapie von Infektionen in die Medizin ein.

Leben

Gerhard Domagk wurde als Sohn eines Schulrektors geboren. Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Schule in Sommerfeld. Er begann ein Medizinstudium an der Universität Kiel, welches er nach dem ersten Semester unterbrach, um als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Er trat in Frankfurt an der Oder dem Leib-Grenadier-Regiment Nr. 8 bei.[1] Bereits im ersten Kriegsjahr 1914 wurde er an der Ostfront verwundet und wurde darauf bis zum Ende des Krieges als Sanitäter eingesetzt. Danach beendete er sein Studium.

Domagk begann an der Universität Greifswald, bakteriell verursachte Infektionen zu erforschen. 1923 entkam er durch einen Zufall dem schweren Eisenbahnunfall von Kreiensen – er hatte den Zug kurz verlassen.[2] 1925 folgte er seinem Professor Walter Groß (1878–1933) an die Universität Münster und habilitierte zu dem Thema „Die Vernichtung von Infektionskrankheiten durch das Retikuloendothel und die Entstehung des Amyloids“. Im selben Jahr heiratete er Gertrud Strübe, mit der er drei Söhne und eine Tochter hatte.

Ab 1929 forschte und entwickelte Domagk, vorzugsweise im Stammwerk der Bayer AG innerhalb der I.G. Farben in Wuppertal-Elberfeld. Er leitete dort ein Labor für experimentelle Pathologie und führte als Teil eines umfangreichen Forschungsprogramms der Firma zur Untersuchung von Farbstoffen als antibakteriellen Chemotherapeutika in Zusammenarbeit mit den Chemikern Fritz Mietzsch und Josef Klarer die Sulfonamide in die Chemotherapie der bakteriellen Infektionen ein. Außerdem entwickelte er wirkungsvolle Tuberkulostatika. Die erste Veröffentlichung zu den neu entdeckten Sulfonamiden und deren antibakterieller Wirkung erfolgte durch ihn 1935 und das Medikament Prontosil kam 1936 auf den Markt.[3][4][5]

Für diese wichtige Entdeckung erhielt er 1939 den Nobelpreis für Medizin.[6] Aufgrund einer Anordnung Adolf Hitlers war es ab 1937 jedoch verboten, den Nobelpreis anzunehmen. Vorangegangen war die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Journalisten und Regimegegner Carl von Ossietzky, was für die Nationalsozialisten eine außenpolitische Schlappe bedeutet hatte. Die Anordnung sollte einer Wiederholung vorbeugen.[7]

Domagk wurde 1942 zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.[8] Ab 1944 war er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bevollmächtigten für das Gesundheitswesen, Karl Brandt.[9]

1947 konnte Domagk den Nobelpreis für Medizin aus den Händen des schwedischen Königs entgegennehmen,[10] allerdings ohne die dazugehörige Geldsumme, die nicht innerhalb eines Jahres entgegengenommen worden war, wie in den Stiftungsbestimmungen vorgesehen.

Domagk veröffentlichte 1947 sein Buch „Pathologische Anatomie und Chemotherapie der Infektionskrankheiten“ und 1950 „Chemotherapie der Tuberkulose mit Thiosemicarbazonen“. Ab 1958 war er als ordentlicher Professor für allgemeine Pathologie an der Universität Münster tätig. 1960 schied er aus Altersgründen aus der Bayer AG aus.

Domagk starb 1964. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Lauheide bei Münster.

Auszeichnungen

Gedenken

Skulptur „Domagk“ von Tony Cragg (2013) in Wuppertal gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus Domagks[20][21]

Straßennamen und Orte

In München trägt das Areal Domagkpark sowie die Domagkstraße seinen Namen.[22] Von 1967 bis zu ihrer Schließung im Jahre 1982 war eine Lungenheilstätte in Ruppertshain (Taunus) nach ihm benannt.

Das pathologische Institut des Uniklinikums Münster ist nach ihm benannt.

Weitere Straßen sind in Bad Berka, Berlin, Bocholt, Bonn, Braunschweig, Bünde, Dormagen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Homburg, Königsfeld im Schwarzwald (Ortsteil Burgberg), Köln, Laatzen, Leverkusen, Lindau, Ludwigshafen am Rhein, Münster, Neumünster, Vlotho und Wuppertal nach Gerhard Domagk benannt.

Stiftung und Wissenschaftspreis

Die 1961 an der Universität Münster gegründete Stiftung "Krebsforschung Professor Dr. Gerhard Domagk" verleiht jährlich einen aus Stiftungsmitteln finanzierten und mit 10.000 Euro dotierten Forschungspreis für wissenschaftliche Leistungen, die sich um die Forschung zur Bekämpfung des Krebses verdient gemacht haben. Die beste Arbeit über den "Stoffwechsel der Tumoren und seine Beeinflussung" wird prämiert.[23]

Die Universitätsmedizin Greifswald vergibt seit 2008 jährlich das Domagk-Stipendium an exzellente junge Nachwuchswissenschaftler, die bereit sind, ihr Medizinstudium für ein Jahr zu Forschungszwecken (und zur Anfertigung einer Promotions- oder Bachelorarbeit) zu unterbrechen. Das Stipendium dient dem ausdrücklichen Zweck der Vorbereitung einer postgradualen Wissenschaftskarriere. Hierzu kooperiert die Universitätsmedizin eng mit dem ortsansässigen Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg sowie regionalen DFG-Arbeitsgruppen[24].

Literatur

  • Herbert L. Schrader: Gerhard Domagk. Die Erfindung der Sulfonamide als Heilmittel und die Entdeckung neuer Tuberkulosemittel. In: Hans Schwerte und Wilhelm Spengler (Hrsg.): Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa. 2. Mediziner, Biologen, Anthropologen (= Gestalter unserer Zeit. Band 4). Stalling, Oldenburg 1955, S. 143–150 (Die Hrsg. waren SS-Kader.).
  • Rosemarie Altstaedter (Hrsg.): Ein Pionier, der Medizingeschichte machte : eine Dokumentation über Prof. Dr. med. Gerhard Domagk zum 50. Jahrestag der Verleihung des Nobelpreises für Medizin, Bayer AG, Sektor Gesundheit, Gesundheitspolitik, Leverkusen 1989
  • Bayer AG, Geschäftsbereich Pharma: Gerhard Domagk 1895–1964. Lebenserinnerungen in Bildern und Texten. Köln 1995.
  • Werner E. Gerabek: Domagk, Gerhard. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 320 f.
  • Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk. Der erste Sieger über die Infektionskrankheiten, Lit-Verlag, Münster 2001, ISBN 978-3825840679
  • Thomas Hager: The demon under the microscope. From battlefield hospitals to Nazi labs. One doctor’s heroic search for the world’s first miracle drug. Harmony Books, New York 2006, ISBN 1-4000-8213-7.
  • Liselotte Folkerts: Gerhard Domagks Wirken reicht bis in die Gegenwart, In: Westfälische Nachrichten. 16. Juli 2007.
  • Detlev Stummeyer: Domagk 1937–1951. Im Schatten des Nationalsozialismus. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61386-3.
  • Volker Klimpel: Gerhard Domagk und die Chirurgie. Zum 125. Geburtstag des Nobelpreisträgers. Chirurgische Allgemeine, 22. Jahrgang (2021), 1.+2. Heft. S. 52–55.

Schriften

  • mit Carl Hegler: Chemotherapie bakterieller Infektionen, 3. Auflage, Hirzel 1944
  • Pathologische Anatomie und Chemotherapie der Infektionskrankheiten, Thieme 1947

Weblinks

Commons: Gerhard Domagk – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Werner E. Gerabek: Domagk, Gerhard. 2005, S. 320.
  2. Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk: der erste Sieger über die Infektionskrankheiten. Münster 2001, S. 20. Die Angaben zum Unfallort sind hier unrichtig wiedergegeben.
  3. Gerhard Domagk: Ein Beitrag zur Chemotherapie der bakteriellen Infektionen. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. Band 61, 1935, S. 250.
  4. Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk. Ein Pathologe besiegt die bakteriellen Infektionskrankheiten. In: Der Pathologe. Band 22, 2001, S. 241–251. doi:10.1007/s002920100469
  5. John Lesch: The first miracle drugs. Oxford University Press, 2007.
  6. Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1939 an Gerhard Domagk (englisch)
  7. vgl. Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk - der erste Sieger über die Infektionskrankheiten. 2. Auflage. LIT Verlag, Berlin und Münster 2018, S. 79ff.
  8. Mitgliedseintrag von Gerhard Domagk (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 24. Mai 2016.
  9. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt 2005, ISBN 978-3868203110, S. 116.
  10. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle. Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006, S. 264, ISBN 978-3-906390-29-1.
  11. von Gerhard Domagk 1943 verfasster Lebenslauf anlässlich der Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Greifswald, dort "1938" angegeben
  12. Münchener Medizinische Wochenschrift, 1940, S. 848.
  13. von Gerhard Domagk 1943 verfasster Lebenslauf anlässlich der Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Greifswald, dort für 1940 und 1941 angegeben
  14. a b Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk. Der erste Sieger über die Infektionskrankheiten, Lit-Verlag, Münster 2001, ISBN 978-3825840679, S. 189.
  15. von Gerhard Domagk 1943 verfasster Lebenslauf anlässlich der Verleihung der Ehrensenatorwürde der Universität Greifswald
  16. Bayer AG [Hg.], Gerhard Domagk (1895–1964). Lebenserinnerungen in Bildern und Texten, Köln 1995, S. 41/42.
  17. Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk. Der erste Sieger über die Infektionskrankheiten, Lit-Verlag, Münster 2001, ISBN 978-3825840679, S. 110. (Ernennung durch den Minister des Innern Heinrich Himmler)
  18. Frank Ryan: Tuberculosis: The Greatest Story Never Told, Bromsgrove 1992, S. 205.
  19. Leopoldina: Mitgliederverzeichnis: Gerhard Domagk, abgerufen am 19. September 2016
  20. Gerhard Domagk: Eine bahnbrechende Erfindung, Deutsches Ärzteblatt 2013; 110(33-34), abgerufen am 18. Januar 2016
  21. Ateliergespräch mit Cragg zur Skulptur, abgerufen am 18. Januar 2016
  22. München entmilitarisiert Baugebiet. Die Funkkaserne heißt künftig Domagkpark. BR.de (Memento vom 19. November 2015 im Internet Archive)
  23. Webseite der Universität Münster zur Stiftung
  24. Universitätsmedizin Greifswald: Gerhard Domagk-Stipendien: Universitätsmedizin Greifswald. Abgerufen am 6. März 2021.