Berliet
Berliet war ein französischer Kraftfahrzeug-Hersteller. Zuletzt vor allem bekannt für seine Nutzfahrzeuge, gehörte das Unternehmen zu den Pionieren des Automobilbaus und stellte auch Busse und Militärfahrzeuge her. Der Bau von Pkw endete 1939, nachdem zuletzt nur noch ein modifiziertes Peugeot-Modell angeboten worden war. 1967 wurde Berliet von Citroën gekauft und gelangte 1974 zu Renault. 1978 wurde es mit der Nutzfahrzeugabteilung von Renault und Saviem zur Renault Vehicules Industriels (RVI) zusammengelegt. Der Markenname Berliet erlosch 1980.
Geschichte
Vorgeschichte
Den Wunsch, ein Automobil zu konstruieren, äußerte Marius Berliet (1866–1949), schon mit 15 Jahren. Zunächst blieb dafür keine Zeit und Berliet musste in der elterlichen Werkstätte für Hutbänder mithelfen. Er begann in seiner Freizeit und nachts an seinem ersten Verbrennungsmotor zu arbeiten, den er 1894 fertigstellte. 1895 folgte ein erstes Kraftfahrzeug. Dies war ein Leichtfahrzeug, in dem Fahrer und Passagier hintereinander Platz fanden. Dieses Fahrzeug verunfallte während einer Erprobungsfahrt und Berliet arbeitete an Verbesserungen seiner Konstruktion. 1896 folgte ein zweiter Motor und 1897 sein zweites Automobil. Wiederum ein Zweisitzer, war der neue Motor ein luftgekühlter Boxer mit Kühlrippen, der im Heck untergebracht war. Das Fahrzeug war breit genug, dass zwei Personen nebeneinander sitzen konnten.
Einfache Anfänge
Mit der Unterstützung seiner Mutter – sein Vater war immer noch strikt gegen seine Pläne eingestellt – mietete er 1899 eine Werkstatt im Lyoner Quartier La Croix-Rousse, wo er wiederum nur abends und in seiner Freizeit arbeiten konnte, nun immerhin mit der Unterstützung eines Angestellten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Lyon zu einem Zentrum des französischen Automobilbaus mit Marken wie Audibert-Lavirotte, Luc Court, Rochet-Schneider, Cottin-Desgouttes, La Buire, Pilain oder Vermorel. Auch Berliets kleine Manufaktur gehörte bald dazu. Anfangs wurden Fahrzeuge mit einem Einzylindermotor, ab 1900 mit Zweizylindermotor angeboten. Nach anderer Darstellung lag die Werkstatt in Brotteaux bei Lyon (der Ort gehört heute zum 6. Arrondissement der Stadt)
Der Betrieb expandierte schnell, und so kaufte Berliet im Jahre 1902 den Automobilhersteller Société Anonyme des Anciens Établissements Audibert et Lavirotte in Monplaisir auf. Produziert wurde dort ein Vierzylinder-Modell mit einem Stahlrohrrahmen, dies war zu dieser Zeit, als die meisten anderen Hersteller zumeist Holz verwendeten, außergewöhnlich. Emile Lavirotte nahm danach eine Tätigkeit bei Berliet auf.
Im Jahre 1905 erwarb die American Locomotive Company Lizenzen zum Nachbau von Berliet-Modellen.
1910 hatte das Unternehmen bereits sieben Zweigbetriebe, es wurde eine Palette von Fahrzeugen von 8 bis 60 PS produziert. 1912 ging etwa die Hälfte der hergestellten Fahrzeuge in den Export.
1915 hatte Berliet sein Unternehmen dergestalt organisiert, dass von der Stahlherstellung bis zum fertigen Produkt alles in einer Hand lag.
Im Ersten Weltkrieg sah Berliet seine Chancen in der Rüstungsindustrie. Da durch den Krieg in Frankreich ein großer Bedarf an militärischen Lastkraftwagen bestand, wurde die Produktion auf die Lkw-Herstellung umgestellt, der Ausstoß betrug im Jahre 1917 etwa 40 Fahrzeuge pro Tag. Außerdem stellte Berliet in dieser Zeit Mörsergranaten her.
Nach Kriegsende brach der Markt für Nutzfahrzeuge zusammen, weil infolge der Abrüstung eine große Anzahl gut gewarteter und oft instand gestellter Armee-Lastkraftwagen zu sehr günstigen Konditionen erhältlich wurden. Dies brachte auch Berliet in Schwierigkeiten. Nach einem Bankrott im Jahre 1921 folgte ein Neuaufbau des Unternehmens. 1930 wurde bei Berliet der erste eigene Dieselmotor konstruiert.
Das letzte Pkw-Modell war von 1936 bis 1939 der Berliet Dauphine mit einem 2-Liter-Motor. Die Pkw-Produktion endete 1939, danach stellte Berliet ausschließlich Nutzfahrzeuge her und belieferte im Zweiten Weltkrieg die französische Armee in großen Stückzahlen.
Die Nachkriegszeit
Die Nachkriegszeit sah ein expandierendes Unternehmen, die Produktion wurde von 17 Lkw pro Tag im Jahre 1950 auf über 120 Fahrzeuge pro Tag im Jahre 1970 gesteigert. 1958 wurde der größte Lastwagen der Erde, der Berliet T100, in der Sahara eingesetzt. Der 600 PS leistende LKW mit einem Reifendurchmesser von 2,4 m und einem Eigengewicht von bis zu 120 Tonnen war für Baumaterialtransporte in Wüstengebieten konzipiert.[1] Das Unternehmen sah seine Chancen in ebensolchen Regionen, es folgte 1956 die Gründung von Berliet Algerien, im Jahre 1958 die Gründung von Berliet Marokko. 1965 schloss das Unternehmen ein Lizenzabkommen mit der Volksrepublik China für die Fertigung von Schwerlasttransportern, im Jahre 1969 wurde eine Omnibusfabrik in Kuba aufgebaut. 1971 gingen 40 % der Produktion in den Export.
1965 wurde mit dem Berliet Stradair ein innovativer leichter LKW (etwa 6 Tonnen Nutzlast) präsentiert, der mit mehreren Traditionen des bisherigen LKW-Baus brach. Neben der ungewöhnlichen Gestaltung besaß er insbesondere niveauregulierende Luftfederelemente, eine moderne Rahmenkonstruktion, schlauchlose Reifen, ein Getriebegehäuse aus Leichtmetall und einen Nutzlastfaktor von 2. Der Vierzylinder-Dieselmotor arbeitete nach dem M-Verfahren. Die Fahreigenschaften waren mit denen eines damals zeitgemäßen PKW vergleichbar.[2] Alsbald wurden zahlreiche Varianten des Stradair auf den Markt gebracht.[3] In der Praxis offenbarte sich allerdings, dass der LKW nicht ausgereift war, weshalb der Erfolg am Markt begrenzt blieb.
Der 1968 vorgestellte dreiachsige Typ U 509 „Tekel“ mit Frontantrieb wurde aus dem Stradair abgeleitet und besaß ein Niederrahmen-Fahrgestell mit nur 62 cm Ladehöhe.[4]
1967 wurde die Firma Teil des Citroën-Konzerns und übernahm die Lkw-Fertigung von Citroën.
1975 hatte Berliet etwa 24.000 Beschäftigte für die Fertigung von Lkw und Omnibussen, davon mehr als 15.000 in dem Werk Vénissieux Saint-Priest bei Lyon.
Auf Betreiben des französischen Staates wurde Berliet 1975 vom Renault-Konzern übernommen und 1978 mit der schon bisher zu Renault gehörenden Nutzfahrzeug-Tochter Saviem zur neuen Firma Renault Véhicules Industriels (RVI) zusammengeschlossen. Die beiden bisherigen Markennamen wurden noch bis 1980 weitergeführt, danach wurden alle Produkte mit dem Namen Renault verkauft, wodurch die Marke Berliet vom Markt verschwand.
Letzter Berliet-Pkw Dauphine
Berliet Lastwagen
Berliet Stadtbus der 1960er Jahre
Literatur
- George Nick Georgano (Chefredakteur): The Beaulieu Encyclopedia of the Automobile. Volume 1: A–F. Fitzroy Dearborn Publishers, Chicago 2001, ISBN 1-57958-293-1. (englisch)
- Der Berliet-Fünfzylinder-Dieselmotor. In: Automobiltechnische Zeitschrift. 6/1953, S. 165–167.
Einzelnachweise
- ↑ Schwerst-Lastwagen - Ein Besuch in einem der größten Nutzkraftwagenwerke Europas. In: Kraftfahrzeugtechnik 4/1958, S. 144–145.
- ↑ LKW-Sensation aus Frankreich Berliet-Stradair. In: Kraftfahrzeugtechnik 11/1965, S. 416–419.
- ↑ Weitere Stradair-Typen. In: Kraftfahrzeugtechnik 3/1967, S. 88–89.
- ↑ Fünftonner mit Frontantrieb. In: Kraftfahrzeugtechnik 8/1968, S. 246.
Weblinks
- Fondation de l'Automobile Marius Berliet (französisch und englisch, abgerufen am 19. Februar 2013)
- Eric Favre: Berliet, champion du poids lourd, ei gazoline.net (französisch, abgerufen am 4. Februar 2017)