Mercedes-Benz W 113

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Mercedes-Benz
1966 Mercedes-Benz 230SL (9666925034).jpg
W 113
Verkaufsbezeichnung: 230 SL,
250 SL,
280 SL
Produktionszeitraum: 1963–1971
Klasse: Sportwagen
Karosserieversionen: Roadster
Motoren: Ottomotoren:
2,3–2,8 Liter
(110–125 kW)
Länge: 4282 mm
Breite: 1760 mm
Höhe: 1305–1320 mm
Radstand: 2400 mm
Leergewicht: 1295–1466 kg
Vorgängermodell Mercedes-Benz W 121 B II
Nachfolgemodell Mercedes-Benz R 107

Der W 113 ist ein zweisitziges Faltdach-Cabriolet von Mercedes-Benz, das im März 1963 auf dem Genfer Auto-Salon vorgestellt wurde. Er sollte gleichzeitig die Typen 190 SL und 300 SL ersetzen. Wegen seines zusätzlich lieferbaren, nach innen gewölbten Hardtops erhielt er den Spitznamen Pagode. Er wurde in den Versionen 230 SL (1963–1967), 250 SL (1967) und 280 SL (1968–1971), wahlweise mit Schalt- oder Automatikgetriebe insgesamt 48.912 mal gebaut.

Gegen Aufpreis gab es den Wagen auch als Roadster (2+2) mit Hardtop ohne Verdeck/Verdeckkasten und einer durchgehenden Rücksitzbank. Dieses California-Modell wurde von Mercedes als „Sonderausführung ohne Roadsterverdeck mit vergrößertem Fond“ angeboten.

Modellgeschichte

Allgemeines

Heckansicht, Australien-Modell

Der W 113 markiert den Übergang von den rundlichen Formen des Vorgängermodells zu einem mehr sachlichen Stil. Das Ziel bei der Designentwicklung bestand darin, sich vom Vorgänger deutlich abzugrenzen und ein „maskulines“ Erscheinungsbild anzustreben. Glatte Flächen, viel Nutzraum und den Verzicht auf Zierelemente zeichnen den Pagoden-SL aus. Der Hauptabsatzmarkt waren die USA, hier wiederum ging ein Großteil der Fahrzeuge nach Kalifornien.

Karosserie und Fahrwerk

Die „Pagode“ war der erste SL, bei dem umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt wurden. Da seine Basis die Bodengruppe der „Heckflosse“ W 111 mit einem 30 cm kürzeren Radstand ist, hat auch der SL eine steife Fahrgastzelle und Knautschzonen, leicht verformbare Bug- und Hecksegmente. Der Innenraum ist wie bei der Limousine entschärft, es gibt keine harten Ecken und Kanten. Sicherheitsgurte waren, wie beim Vorgänger, als Sonderausstattung erhältlich. Das Lenkgetriebe wurde aus dem crashgefährdeten Bereich des Vorderwagens an die Stirnwand gerückt, die Lenksäule ist geknickt und hat Gelenke, die den gefürchteten Lanzeneffekt bei einem Unfall verhindern. 1967 kamen die Sicherheitslenksäule mit Pralltopf im Lenkrad hinzu.

Das Fahrwerk mit Kugelumlauflenkung und hinterer Eingelenk-Pendelachse wurde ebenfalls aus der W 111-Limousine übernommen. Das Zweikreis-Bremssystem hatte Scheibenbremsen anfangs nur an der Vorderachse; mit Einführung des 250 SL auch an der Hinterachse. Seine Federung ist straff, aber für einen Sportwagen sehr komfortabel. Für die Dämpfung sorgen Gasdruckstoßdämpfer; erstmals fuhr ein SL auf Gürtelreifen.

Motor und Getriebe

Ansicht des 2,3 l-Motors eines rechtsgesteuerten Automatik-Fahrzeuges
Mercedes-Benz 280 SL, Baujahr 1969, bei der ADAC Mittelrhein Classic 2013

Der ebenfalls aus der W 111-Limousine stammende Sechszylinder M 127 mit paarweise gegossenen Zylindern wurde einigen Änderungen unterzogen. Die wichtigste war die Verwendung einer Sechsstempel-Einspritzpumpe statt der Zweistempel-Pumpe mit zwei Dreifachverteilern. Damit war es möglich, den Kraftstoff durch die geöffneten Einlassventile in den Brennraum einzuspritzen und nicht mehr nur in das Ansaugrohr. Der auf 2,3 Liter aufgebohrte Motor M 127 II leistet so 150 PS bei 5500/min und bietet bei 4200/min ein Drehmoment von 196 Nm. Dieser sehr sportlich angelegte Antrieb des SL verlangt verhältnismäßig hohe Drehzahlen.

Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit Schaltgetriebe bei 200 km/h. Auf Wunsch war ein Viergang-Automatikgetriebe erhältlich, das erste Mal überhaupt bei einem SL.

Im Dezember 1966 folgte der 250 SL (M 129). Motor und Bremsen stammen leicht modifiziert vom 250 SE. Die ausgewiesene PS-Zahl entspricht der des 230 SL, jedoch wird bei gleicher Drehzahl (4200/min) ein deutlich größeres Drehmoment von 216 Nm erreicht, das vor allem ein verbessertes Beschleunigungsvermögen zur Folge hat.[1] Der Motor ist durch die paarige Zylinderanordnung wie bei den Limousinen und den großen Coupés und Cabrios allerdings wärmekritisch. Mit der 250er Motorgröße war das Konzept der paarigen Zylinder an die Grenzen gelangt. Der 250 SL wurde mit zwei verschiedenen Hinterachsübersetzungen angeboten.

Originale 250 SL sind infolge der nur gut einjährigen Bauzeit die seltensten Exemplare der Serie W 113.

1968 wurde der 250 SL von dem 170 PS starken, drehmomentstärkeren 280 SL mit dem Motor M 130 abgelöst, nun mit gleichmäßigem Zylinderabstand. Vom Vorgänger unterscheiden den Wagen äußerlich nur das Typenschild am Kofferraumdeckel und geänderte Radzierblenden. Der 280 SL bekam 1968 auch das Pralltopf-Lenkrad des 280 S/SE; die Lenksäule ist daher kürzer als bei 230 SL und 250 SL; Umbauten von 230 SL oder 250 SL auf 280 SL können teils daran erkannt werden: Der Blinkerhebel der neueren Pralltopf-Lenksäulen ist länger und weiter vorn am Armaturenbrett angelenkt.

Der Motor des 280 SL leistet mit 170 PS 10 PS mehr als der hubraumgleiche 280-SE-Motor der Limousinen; der gleiche SL-Motor diente übergangshalber auch dem Antrieb des gleichzeitig gebauten 300 SEL nach Bauende des aufwendigen Dreiliter-Aluminiummotors.

Durch das Baukastenprinzip sind bei Antrieben viele Tauschmöglichkeiten gegeben. Hiervon wurde in früheren Jahrzehnten im Fall der nicht seltenen Motorschäden (230 SL, 250 SL) auch reichhaltig Gebrauch gemacht. Bei einem Kauf ist daher auf das korrekte Zusammengehören von Karosserie und Antrieb hoher Wert zu legen. Entscheidend ist die zweite Gruppe von drei Ziffern der Fahrgestellnummer hinter dem Baumuster 113, in Verbindung mit dem Motorentyp. Nicht zum Baumuster der Karosserie gehörende Antriebe entwerten ein Fahrzeug gleich um fünfstellige Euro-Beträge. Erstaunlich günstig erscheinende Angebote haben hier oft Haken und sind dann bei genauer Betrachtung bezüglich einer Wertanlage und wegen der Rückbaukosten auf Originalversion oft zu teuer.

Achtzylindermotoren wie der ab 1963 gebaute 6,3-Liter M 100 oder der kompaktere ab 1969 gebaute M 116/M 117 gab es in der Serie des W 113 nicht, jedoch wurden sowohl Versuche hierzu als auch private Umbauten gemacht. Achtzylinder-Motoren wurden im SL erst 1971 beim Nachfolger 350 SL mit dem Baumuster R 107 eingeführt.

Sonstiges

Für den W 113 mit Hardtop wurden progressive Wege in Bezug auf das Heiz-Lüftungssystem beschritten, das trotz der niedrigen Fahrgastzelle mit flachem Dach sowohl eine zielgerichtete Beheizung als auch Entlüftung gewährleistete. Eine wirksame und dennoch zugfreie Dauerentlüftung wurde durch den Dachhimmel und Schlitze über der Heckscheibe verwirklicht.[2]

Datenblatt

Motor eines 280 SL
Interieur
Armaturenbrett
Blick in den Innenraum
230 SL 250 SL 280 SL
Motor Sechszylinder-Reihenmotor (Viertakt-Otto)
Motortyp M 127.II M 129.III M 130
Hubraum 2306 cm³ 2496 cm³ 2778 cm³
Bohrung × Hub 82 × 72,8 mm 82 × 78,8 mm 86,5 × 78,8 mm
Verdichtung 9,3:1 9,5:1 9,5:1
Leistung
bei min−1
110 kW (150 PS)
5500
125 kW (170 PS)
5750
Drehmoment
bei min−1
196 Nm
4200
216 Nm
4200
240 Nm
4500
Höchstdrehzahl min−1 6500
Getriebe 4-Gang-Schaltgetriebe /

5-Gang-Schaltgetriebe / 4-Gang-Automatik

Höchstgeschwindigkeit in km/h 200 / 200 / 195 195 (200) / 200 / 190 (195) 200 / 200 / 195
Beschleunigung 0–100 km/h 11,1 s / 9,7 s / 10,7 s 10,0 s / 9,7 s / 10,6 s 9,0 s / 9,0 s / 9,0 s
Strömungswiderstandskoeffizient
mit Hardtop 0,515
mit Verdeck 0,481
offen 0,610
Kraftstoffverbrauch
(nach DIN 70030 in l/100 km)
10,2 11,2 11,4
Kraftstofftank 65 l 82 l 82 l
Bauzeitraum (Vorserie/Hauptserie) 03.1963 / 07.1963 – 01.1967 11.1966 / 12.1966 – 01.1968 11.1967 / 01.1968 – 03.1971
Stückzahl 19.831 5.186 23.885

Sonderausstattung

Mercedes bot beim W 113 einige Sonderausstattungsmerkmale an. Hier eine Auswahl:

Name Aufpreis in DM*
Lederpolsterung 1.048
Kopfstützen vorn, Leder 222
Sicherheitsgurte vorn 77
H1-Halogenlicht 188
Heizbare Heckscheibe 244
Metallic-Lackierung 699
Hardtop 1.459
Coupé mit Hardtop ohne Verdeck und Verdeckkasten,
dafür Fondsitzbank („Kalifornien-Ausführung“)
632
4-Gang-Automatikgetriebe (Hersteller Daimler-Benz) 1.443
Fünfganggetriebe (manuell, Hersteller ZF) 1.459
Servolenkung 599
Autotelefon (A-Netz, Hersteller Becker oder TeKaDe) 9.934

*Preisliste Jan. 1972; volle DM inkl. damaliger Umsatzsteuer von 11 %[3]

Produktionszahlen und heutiger Bestand

Als die Produktion, die durch eine große Anzahl zwischenzeitlicher technischer Veränderungen gekennzeichnet war, am 23. Februar 1971 auslief, waren mehr als die Hälfte der Fahrzeuge außerhalb Deutschlands, insbesondere in die USA, verkauft worden.

Am 1. Januar 2015 waren in Deutschland 4.369 Exemplare der drei Modellreihen zugelassen.[4] Nicht erfasst ist eine erhebliche Zahl abgemeldeter, in Restaurierung stehender oder auf die Restaurierung wartender SL-Fahrzeuge. Ein SL dieser Baureihe wird nur noch sehr selten verschrottet, selbst in schlechtestem Zustand (verunfallt, korrodiert, Mechanik defekt). Zudem ist es nach kompletter, aufwendiger Instandsetzung der Karosserie durch das Baukastensystems leicht, die größtenteils gleiche (bis auf den Motor des 230 SL) und gut verfügbare Technik der Limousinen einzubauen.

Sonstiges

Ein 230 SL-Cabrio in Babyblau spielt im deutschen Film Knockin’ on Heaven’s Door (1997) eine wichtige Rolle.

Literatur

  • MARKT Klassische Automobile und Motorräder, Sonderheft 12: Kaufberatung Youngtimer der Sechziger und Siebziger, VF Verlagsgesellschaft mbH, Mainz, 1992.
  • Thomas Wirth, Sportler mit Manieren. In: Mercedes-Benz classic, Ausgabe 02, 2016, S. 40–46.

Weblinks

Commons: Mercedes-Benz W 113 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 2,5-l-Sportwagen. In: Kraftfahrzeugtechnik. 6/1967, S. 177.
  2. Zweisitzer mit interessanten Details. In: Kraftfahrzeugtechnik 9/1963, S. 342–343.
  3. www.meinbenz.de
  4. http://www.pagode.info/6.htm